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Energiegenossenschaften durch EEG-Reform vor dem Aus


02. November 2015, 14:35
PRESSEMITTEILUNG/PRESS RELEASE

Bürgerbeteiligung war bisher ein Erfolgsrezept der Energiewende. Doch mit der EEG-Reform werden Bürgerinvestitionen große Steine in den Weg gelegt. Insbesondere die Ausschreibungsverfahren für Ökostromanlagen privilegieren Großinvestoren vor Energiegenossenschaften.

Bürger sollen sich an der Energiewende beteiligen, eine Bürgerenergiewende wird von vielen Seiten gefordert. Doch die potenziellen Träger des Vorhabens sind verunsichert. Während in den Spitzenjahren 2011 und 2013 noch 194 beziehungsweise 183 Energiegenossenschaften gegründet wurden, kam 2014 mit der EEG-Reform ein abruptes Ende des Gründungsbooms. Mit den neuen Rahmenbedingungen werden Großkonzerne gegenüber kleinen Investoren und Genossenschaften bevorzugt. „Wir werden rausgedrängt“, klagt der Vorsitzende des Bündnisses Bürgerenergie (BBEn) Thomas Banning. Insbesondere die anstehende Umstellung der Ökostromförderung von festen Vergütungen auf Ausschreibungen lasse den Kleinen keine Chance.

Das Ministerium sehe „die Zukunft wieder bei den großen Playern, den Energiekonzernen, die am besten europaweit agieren sollen, nicht bei der dezentralen Stromgewinnung und den Genossenschaften", sagte Banning in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Seit der EEG-Reform im vergangenen Jahr ist nicht nur das Grünstromprivileg gestrichen und macht lokale Vermarktung von Grünstrom für Genossenschaften unwirtschaftlich. Gleichzeitig ist auch eine Ausschreibungspflicht für Energieprojekte eingeführt worden, die der Bürgerbeteiligung große Steine in den Weg legt.

Ausschreibungsverfahren lassen Genossenschaften keine Chance

Die Umstellung der Ökostromförderung von einer festen Vergütung auf Ausschreibungen lässt für Genossenschaften kaum noch Beteiligungsmöglichkeiten. Bisher sorgten die Tarife des EEG für eine relativ sichere Refinanzierung der Anlagen. Mit wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren zwischen Anlagenbetreibern sollen die Fördersätze für Ökostromprojekte vergeben werden. Die Bundesregierung will damit mehr Wettbewerb und eine langsame Markteinführung erreichen, für bessere Planbarkeit des Ausbaus sorgen und eine größere Vielfalt an Akteuren erzeugen. Bei den aktuellen Pilotausschreibungen um Photovoltaik-Freiflächenanalgen zeigt sich allerdings, dass Energiegenossenschaften im Wettbewerb mit größeren Unternehmen in den komplexen und kostenträchtigen Verfahren kaum bestehen können.

Den kleinen Genossenschaften fehlt insbesondere das Risikokapital, das professionelle Anleger zumeist problemlos aufbringen können. Schließlich sind schon mit der Projektbewerbung Kosten verbunden, obwohl erst am Ende feststeht, wer den Zuschlag für ein Projekt erhält. Felix Schäfer, Vorstandsmitglied der Bürgerwerke in Heidelberg, einem Verbund von 35 Bürgerenergiegenossenschaften in ganz Deutschland, hält Ausschreibungen grundsätzlich für den falschen Weg: „Wir arbeiten aber gerade nicht mit Risikokapital, sondern mit Bürgerkapital. Da können wir so riskante Vorlaufkosten nicht tragen.“ Schon die Teilnahme an einer Ausschreibung wird somit für Genossenschaften erschwert. Doch selbst wenn diese Hürde genommen würde, ist die Wahrscheinlichkeit an den Vergabekriterien zu scheitern groß: „Oft wird nur anhand des Preises vergeben. In unserem Fall ginge es also um die geringsten Stromgestehungskosten. Eine Bürgerenergiegenossenschaft kann das nicht erfüllen, weil bei uns auch ideelle Kriterien im Vordergrund stehen.“

Bürgerbeteiligung mit Erfolg

Ralf Barkey, der Vorstandsvorsitzende des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes (RWGV) fordert einen „diskriminierungsfreien Raum“ und Chancengleichheit für Energiegenossenschaften auf dem Energieerzeugungsmarkt. Möglichkeiten wären für ihn erleichterte Genehmigungsverfahren oder die Unterstützung von Genossenschaften bei Machbarkeitsstudien. Aus Barkeys Sicht sind Energiegenossenschaften ein Garant für das Gelingen des Umstiegs auf erneuerbare Energien: „Die Energiewende sollte stärker auf Bürgerbeteiligung setzen. Die Bürger müssen die Projekte mittragen, sonst kommt es zu Widerstand“, erklärt der Jurist mit Blick auf Bürgerinitiativen und Klagen Ökostromanlagen in der Nähe von Wohngebieten.

Trotz der neuen Herausforderungen durch die Politik will das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) die „Demokratisierung der Energiewirtschaft“ weiter vorantreiben. „Wir werden trotz starkem politischen Gegenwind am Konzept einer dezentralen Energiewende festhalten“, sagt BBEn-Aufsichtsratschef Dietmar von Blittersdorff. Seit der Verabschiedung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes vor 15 Jahren haben Privatleute, Genossenschaften und andere Bürgergruppen rund 1,2 Millionen Solaranlagen und 4000 Windräder finanziert. Jede zweite Kilowattstunde deutschen Ökostroms stammt aus den Anlagen unter Beteiligung von Energiegenossen, die im Schnitt jeweils 3300 Euro investiert haben.

Neue Betätigungsfelder im Fokus

Nicht zuletzt aufgrund der neuen politischen Rahmenbedingungen sehen sich Energiegenossenschaften bereits nach neuen Betätigungsfeldern um – mit Erfolg. Vor allem der Ausbau der Ökoenergie im Wärmemarkt und die Energieeffizienz bieten noch gewaltiges Investitionspotenzial. Bisher war das Engagement der Bürger m Bereich der Energieeinsparung, eher gering. Nur rund 70 der in Deutschland existenten 1.000 Energiegenossenschaften, sind in der Energieeinsparung tätig. Dabei hat eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) im Auftrag des BBEn und des Umweltverbandes BUND gezeigt, dass mehr Bürgerbeteiligung bei der "Effizienzwende" geboten ist. Potenzielle Investitionsfelder wären beispielsweise der Bau oder die Übernahme kommunaler Wärmenetze, Abwärmenutzung, die Optimierung von Beleuchtung, oder Wärmedämmung von Schulen oder öffentlichen Gebäuden. Ifeu-Geschäftsführer Martin Pehnt meint: „Die Bürgereinsparkraftwerke können eine wichtige Lücke füllen“ Dass Bürgerprojekte Sonnen- und Windkraftwerke voranbringen, hätten die vergangenen Jahre gezeigt. Ein ähnlicher Impuls sei nun auch für die Energieeffizienz nötig.

Quellen:
klimaretter.info
bmwi.de

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