Das Wissen darum, dass ein Anbieterwechsel für Strom und Gas häufig viel Geld spart, ist mittlerweile weit verbreitet. Dennoch scheuen viele Verbraucher den Wechsel, obwohl er schnell und unkompliziert durchzuführen ist. Vor allem der Zeitaufwand, um sich einen Überblick über die Vielzahl an Anbietern und Tarifen zu verschaffen, ist ein Hindernis. Dann ist es doch praktisch, wenn die günstigen Angebote direkt vor die eigene Haustür kommen. Zahlreiche Versorger greifen mittlerweile auf Vertreter zurück, die in persönlichen Gesprächen neue Kunden gewinnen sollen. Doch das Geschäft hat seine Tücken.
Schnelle und unkomplizierte Anbieterwechsel - aber kaum durchdacht
Wenn sich zwei Herren im uniformen Anzug mit stahlblauen Hemden und gleichfarbigen Klemmbrettern vor der eigenen Haustür aufbauen und nach einer freundlichen Begrüßung ohne Umschweife nach dem aktuellen Versorger fragen, ist es nicht verwunderlich, wenn die Hausbewohner überrumpelt und eingeschüchtert Rede und Antwort stehen. Wie hoch die Stromabrechnung ist, kann nicht jeder aus dem Stand sagen, ein Blick in die Unterlagen lässt die Vertreter vielleicht triumphierend anmerken, dass sie ein gutes Angebot parat hätten, mit dem viel Geld gespart werden könne. Die notwendigen Dokumente haben sie natürlich dabei, der Wechsel kann direkt vorbereitet und zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt veranlasst werden. Eine viertel Stunde und eine Unterschrift später hat man nicht nur wieder seine Ruhe sondern direkt einen neuen, günstigen Strom- oder Gasversorger.
Doch der schnelle Wechsel ist nicht immer das versprochene Schnäppchen. Statt umfassender Informationen bieten Vertreter vor allem ein einseitiges Marktbild. Von vorschnellen Abschlüssen vor der Haustür, und sind die Vertreter noch so vertrauenswürdig, ist abzuraten. Ein zweiter Blick auf die Vertragsunterlagen am nächsten Tag und weitere Informationen schaden nicht bevor man den Wechsel mit einer Unterschrift besiegelt. Im Internet warnen Stromanbieter und Verbraucherschutzzentralen außerdem vermehrt vor falschen Vertretern, die sich als Mitarbeiter eines großen Energiekonzerns ausgeben und letztlich Discount-Tarife verkaufen wollen.
Wirtschaftliche Interessen statt objektiver Beratung
Natürlich sind die meisten Energievertreter weniger aggressiv sondern sympathisch und geduldig, wenn sie ihrem Gegenüber den Energiemarkt, die steigende EEG-Umlage und Netznutzungsentgelte erklären. Sie zeigen unverfänglich Einsparalternativen bei anderen Versorgern auf und akzeptieren, wenn kein Wechselinteresse besteht. Doch auch diese „Berater“ sind natürlich auf Kundenfang.
Für jeden Vertragsabschluss zahlen die Unternehmen eine satte Provision. Offizielle Zahlen liegen nicht vor, laut einer Auflistung des Fachdienstes Telecom Handel werden in der Branche 30 bis 160 Euro pro Abschluss bei Privathaushalten bezahlt – abhängig davon wie viel der Anbieter durch den neuen Kunden verdient. Allerdings seien 50 Euro und mehr in der Branche üblich, damit ist für den Verkäufer jede Unterschrift bares Geld wert.
Anbieter setzen weiterhin auf Direktmarketing
Trotz herber Kritik wollen viele Versorger sich nicht von dieser Form der Direktvermarktung verabschieden. „Auf dem Energiemarkt ist die direkte Ansprache von Verbrauchern ein unverzichtbarer Vertriebskanal“, verteidigt Pressesprecher Hans-Jörg Groscurth von EnBW die Praxis. Auch Vattenfall setzt auf Direktvertrieb an der Haustür: „Gerade im direkten Gespräch lassen sich Fragen beispielsweise zu Vertragskonditionen, AGB etc. leichter klären“, so Pressesprecherin Sandra Kühberger. Die Seriosität der eigenen Verkäufer werde jedoch immer geprüft.
Verbraucherzentralen raten von Haustürgeschäften ab
Verboten ist das alles nicht. Doch Verbraucherschutzzentralen raten nachdrücklich von einem Vertragsabschluss an der Haustür ab. Energierechtsexperte Jürgen Schröder von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärt: „Da wird auf einen Überrumpelungseffekt gesetzt. Solche Verträge sind viel zu komplex, um sie zwischen Tür und Angel zu unterschreiben.“
Neben einer häufig begrenzten Tarifauswahl kommt hinzu, dass im kurzen Gespräch kein umfassender Preisvergleich auf Tarifportalen möglich ist. Zwar ist der Vertragsabschluss mit Berufung auf das Widerrufsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 312 BGB) binnen 14 Tagen ohne weiteres möglich, doch wer sich etwas mehr Zeit lässt, erspart sich häufig dennoch Aufregung und Scherereien.
Quelle:
Handelsblatt