Das Licht wird gedimmt, der Dirigent hebt den Taktstock - die Show beginnt. Das Orchester spielt berühmte Werke so gut und mit vollem symphonischen Orchesterklang in Hifi-Stereo-Qualität, wie man es von Sinfonie- und Opern-Orchestern erwartet.
Das ist „9 classics“ vom „The Peter Debik Movie Orchestra“:
1. Georges Bizet: Carmen - Prelude
2. Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro, K. 492 - Sinfonia
3. Gioachino Rossini: Il barbiere di Siviglia - Sinfonia
4. Charles François Gounod: Faust - Introduction
5. Ludwig van Beethoven: Coriolan Ouvertüre, op. 62
6. Engelbert Humperdinck: Hänsel & Gretel - Vorspiel zum 1. Akt
7. Engelbert Humperdinck: Hänsel & Gretel - Traumpantomime
8. Richard Wagner: Tannhäuser, WWV 70 - Vorspiel
9. Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, WWV 96 - Vorspiel
Die Brutto-Laufzeit beträgt ca. 66 Minuten.
Das Besondere daran
Der Clou ist, dass alles, was man auf dem Album hört, von nur einer einzigen Person arrangiert, aufgeführt, gemischt, gemastert und zur fertigen CD geführt wurde, die es qualitativ mit dem Rest der Klassik-Welt aufnimmt.
Erfinder dieses „Eine-Person-Orchesters“ ist Peter Debik, TV- und Film-Komponist unter mehreren Pseudonymen. Er meint: „Eine großartige Show beginnt nicht auf der Bühne, sondern vor dem Ticket-Verkauf.“ Und er liefert diese Show. Schon der Name „Orchester“ ist Unterhaltung, die Konventionen aushebelt, versteht man darunter doch sonst eine Gruppe Musiker. Inspiriert durch das „Trio“ eines britischen Musikers und Comedian, das ironischerweise eigentlich nur noch ein Duo ist, erfand er „The Peter Debik Movie Orchestra“, das eigentlich nur er selbst ist.
Die HörerInnen seines Albums „9 classics“ lässt er vergessen, dass sie eigentlich nur eine Person hören. Alles klingt so gut, dass die CD disruptiven Charakter hat. Denn wozu braucht man in Zukunft noch echte Orchester, wenn das einer auch alleine kann?
In Wahrheit ist das natürlich nicht ganz so einfach. Um das ganze Orchester abzubilden, braucht auch eine einzige Person viel Zeit. Zum Beispiel belegt Debiks „Tannhäuser“ Ouvertüre mehr als 100 Stereo-Kanalzüge im Mischpult. Bei rund 15 Minuten Spielzeit kann man ahnen, wie viel organisatorischer Aufwand das ist. Insgesamt flossen knapp 1000 Arbeitsstunden in den musikalischen Teil des Albums.
Auf Augenhöhe großer Produktionen
Trotz hohen technischen Aufwands ist das Album nicht statisch oder „überproduziert“, sondern menschlich. In Debiks „Coriolan“ könnte man die Streicher an einer Stelle zu Gunsten der Querflöte zurücknehmen, aber das ist Geschmackssache. Das Stück reiht sich trotzdem in die Riege großer bekannter Orchesterproduktionen ein. Wenn man unbedingt wollte, könnte man auch ein paar Solo-Violin-Teile in Gounods Faust besser herausarbeiten, vielleicht mit mehr Vibrato, aber man kann es auch lassen, denn es ist auch gut, schlüssig und gefällig so, wie es jetzt ist. Trotz der bunten Zusammenstellung der Titel wirkt alles aus einem Guss und hat eine durchweg hohe musikalische Qualität. Das Klangbild ist nicht so verwaschen und ausgebleicht wie bei manch herkömmlichen Orchesterproduktionen. Stattdessen sind alle Werke akustisch brilliant und schallen die ganze Bandbreite von monumentalen Bässen zu kristallinen Höhen. Weder schlammig-dumpfe Mitten, noch Grundrauschen stören die Transparenz. Das Hören macht Spaß. „The Peter Debik Movie Orchestra“ ist mit „9 classics“ auf Augenhöhe großer Produktionen.
Alles klingt zum Greifen wirklich und ist der Epoche des jeweils Gehörten angepasst. Ob alles akustische Instrumente sind, Digitales beigemengt wurde oder gar alles aus dem Computer kommt? Der Kommunikationsphilosoph Villém Flusser schrieb: „... dort, wo das Wahrscheinlicherwerden den höchsten Grad erreicht, dort, wo es daran ist, ins Wirkliche umzustürzen, spricht man von virtuell.“ Wie viel Virtualität in „9 classics“ steckt, falls überhaupt, bleibt unklar. Nur eines ist sicher: Dass hier nichts aus anderen Produktionen gesampelt, sondern die Musik neu aufgenommen wurde. Das beweisen kleine kompositorische „Upgrades“, die Debik mit Fingerspitzengefühl in „9 classics“ geschmuggelt hat.
Angriff auf das Establishment
Debik weiß, dass er es im stressigen Dauerbetrieb großer Bühnen nicht mit Stars aufnehmen könnte, ist aber trotzdem ein bisschen Stachel im Fleisch anderer. Denn er ist kein studierter Musiker, sondern Bankkaufmann, dann Magister der Kommunikations- und Sprachwissenschaft mit Bestnote in beiden Hauptfächern und schließlich IT-Experte. Sein Album „9 classics“ wirft die Frage auf, wie es jemandem, der es eigentlich gar nicht können sollen dürfte, gelingt, eine gefälligere Qualität zu liefern als manche KünstlerInnen, die sich seit Jahrzehnten auf das Genre spezialisiert haben. Dabei ist Peter Debiks Einstellung zu Musik ganz und gar nicht klassisch, sondern aus Sicht des Establishments wohl eher ungeheuerlich: Noten seien nur der unverbindliche Serviervorschlag des Herstellers, wie er meine, dass sein Werk gespielt werden solle. Debik schränkt aber ein, dass das nur gelte, solange die Show stimmt und sich das Publikum gut unterhalten fühlt. Und tatsächlich: Wenn man beispielsweise seiner Ouvertüre zum Barbier von Sevilla genau zuhört, findet man zwei prominente Töne, die ein winzig kleines bisschen neu interpretiert wurden. Dem Werk tut dies aber eher gut als schlecht, und wer die Noten nicht ganz genau kennt, merkt das kleine Upgrade nicht. HörerInnen haben seinen Barbier bisher als „fantastisch“ bezeichnet. Wie könnte Unterhaltung noch besser sein?
Veröffentlichung und Verfügbarkeit
Das Album „9 classics“ ist ab 8. September 2022 zum Download in Streaming-Diensten (Spotify, Amazon Music u.a.) verfügbar und etwas später auch auf Audio-CD mit Booklet. Wer es vorab hören möchte, findet eine Spotify-Playlist mit allen Einzeltiteln des Albums und in Youtube eine Komplettversion mit Titelunterteilung und ohne Werbeunterbrechung. Musikliebhaber sollten die echte CD erwägen, denn allein schon wegen der Eine-Person-Machart ist das Album „9 classics“ ein so gelungener Angriff auf das Klassik-Establishment, dass es in jede Sammlung gehört.