Die Telekommunikation, Energieversorgung und der öffentliche Verkehr sind drei ehemals staatliche Monopole, die in den letzten 20 Jahren im Rahmen der Liberalisierung von Märkten vielerorts privatisiert wurden. Die Steuerungsfunktion des Staates übernahmen unabhängige, also außerhalb der staatlichen Bürokratie agierende, Regulierungsbehörden.
Regulierungsbehörden unter der Lupe
Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden in der Praxis wurde nun in einer Studie für ein Projekt des Wissenschaftsfonds FWF europaweit analysiert. "Einen Verlust an Steuerungsmöglichkeiten durch die Gründung solcher Regulierungsbehörden nahmen Regierungen nicht einfach hin, sondern suchten nach alternativen Wegen der Einflussnahme", erläutert der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien. So kamen bei der Besetzung von Spitzenpositionen in diesen Regulierungsbehörden verstärkt politik- bzw. parteinahe Kandidatinnen und Kandidaten zum Zug. "Als gelernter Österreicher kennt man das Phänomen, es gab jedoch bis jetzt kaum solide empirische Forschung dazu", stellt Ennser-Jedenastik fest. Die Studie liefert erstmals eine umfassende Analyse der Beziehung zwischen institutioneller Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden und parteipolitischer Einflussnahme in Österreich und dem gesamten europäischen Raum.
Anfälligkeit für Politisierung
Für die Studie untersuchte Ennser-Jedenastik rund 700 Besetzungen zwischen 1996 und 2013 an der Spitze von etwa 100 Regulierungsbehörden in 16 westeuropäischen Ländern. Übten die ernannten Personen zuvor politische Ämter aus, kandidierten sie auf Wahllisten oder arbeiteten sie in ihrer früheren Laufbahn in Ministerbüros? Diese Fragen klärten umfangreiche Recherchen von offiziellen Lebensläufen, Wahllisten und Medienarchiven. Zentrales Ergebnis: Je formal unabhängiger eine Behörde ist, desto höher ist der Anteil an dort tätigem Führungspersonal, das einer Regierungspartei nahesteht. "Es steigt der Anteil der ernannten Spitzenfunktionäre mit Verbindung zu einer Regierungspartei von 14 % in den Behörden mit der geringsten formalen Unabhängigkeit auf 35 % in jenen mit der höchsten formalen Unabhängigkeit. Kurz gesagt: Die formale Unabhängigkeit von Regulierungsbehörden macht diese anfälliger für Politisierung", erklärt Ennser-Jedenastik.
Österreich als europäisches Paradebeispiel
Österreich nimmt, wie die Studie zeigt, eine Spitzenposition bei der Berufung von parteinahen Personen in Führungsämter ein. In 9 von 18 untersuchten Fällen wurde im Untersuchungszeitraum parteinah besetzt. "Ein Beispiel ist der Jurist Theodor Thanner, Mitarbeiter vieler ÖVP-Minister, der an die Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde berufen wurde. Oder Heinrich Traumüller, ehemaliger Kabinettschef von Karl-Heinz Grasser, der Vorstand bei der Finanzmarktaufsicht FMA wurde. Jedoch muss man anmerken, dass Regulierungsbehörden in Österreich relativ schlank organisiert sind, das heißt es gibt im internationalen Vergleich sehr wenig Führungspositionen zu besetzen", schränkt Ennser-Jedenastik ein. Im Europavergleich wären, so der Politologe, Frankreich und Belgien als weitere Länder zu nennen, wo der Anteil an parteinahen Besetzungen hoch liegt. Am anderen Ende der Skala lägen Finnland, Dänemark und Irland mit einem geringen Anteil.
Parteibuch schützt Arbeitsplatz
Im Schnitt bleiben, laut Studie, regierungsparteinahe CEOs in Regulierungsbehörden insgesamt länger im Amt als ihre oppositionsnahen Kolleginnen und Kollegen. "Dieser Effekt entsteht dadurch, dass oppositionsnahe Personen in wenig unabhängigen Behörden meist rasch abberufen werden, während jene in sehr unabhängigen Behörden länger geschützt sind. Der Regierungs-Oppositions-Unterschied ist in wenig unabhängigen Behörden also sehr deutlich, in sehr unabhängigen praktisch nicht mehr vorhanden", erläutert Ennser-Jedenastik.
Insgesamt zeigen die im Rahmen des FWF-Projekts gewonnenen Erkenntnisse, dass Regulierungsbehörden politische Gebilde sind, deren Gründung und Aktivitäten keineswegs im neutralen Raum, wo Effizienz und Expertise die einzigen Kriterien sind, stattfinden. So versuchen politische Akteure strategisch, ihren formalen Steuerungsverlust durch informelle Mittel wie parteinahe Besetzungen auszugleichen.
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