Es geht nicht um das "Ob", sondern um das "Wie" der Energiewende
Der Immobilienbestand ist entscheidend, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen, schließlich verursacht dieser rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland. Diese Tatsache ist inzwischen bei Eigentümern, Investoren und Nutzern angekommen. Unsicherheit herrscht jedoch, wenn es um die geeigneten Maßnahmen geht. Im Prinzip müsste jeder Bestandshalter hochgerechnet haben, wie sich die Strompreiserhöhung auf seine Gebäude auswirkt und entsprechend investieren. Jedoch gleicht dieses Vorhaben einem Blick in die Kristallkugel – schließlich kennt niemand die Strompreise in zehn Jahren. Sicher ist aber: Billiger wird der Strom nicht.
Maßnahmenkatalog: Stellhebel koordiniert betätigen
Häufig sind die Stellhebel weniger kostenintensiv als der erste Blick vermuten lässt. So amortisieren sich etwa geringinvestive Maßnahmen binnen weniger Jahre oder sogar Monate. Um zu wissen, ob sich diese Maßnahmen rentieren, oder ob eine umfassende Sanierung oder gegebenenfalls sogar der Verkauf oder Abriss wirtschaftlicher sind, muss klar sein, in welchen Zustand sich die Immobilien befinden. Gerade bei großen Portfolios gilt es, Transparenz zu schaffen und zu analysieren, wann welche Maßnahmen anstehen. Damit lassen sich Investitionsspitzen vermeiden und die Immobilien langfristig wirtschaftlich gestalten. Denn Ökologie wird sich genau dann durchsetzen, wenn die Balance zu Ökonomie und Funktionalität gegeben ist. Nur mit dieser ganzheitlichen Herangehensweise, dem „blue way“, wird die Energiewende gelingen.
Immobilien als Stromproduzenten und -speicher nutzen
Im Zuge der Energiewende gilt es aber, nicht nur darauf zu achten, dass Immobilien weniger Strom verbrauchen. Vielmehr können sie als Stromproduzenten fungieren. Beispielsweise lässt sich die Abwärme aus Kühlvorgängen nutzen, um andere Bereiche zu heizen – so geschehen bei Lidl in über 80 Filialen. Das Unternehmen spart damit jährlich 10 Prozent des Strombedarfs ein. Die Techniken zur Inhouse-Stromproduktion sind vorhanden: Um eventuelle Überproduktionen an Strom zu speichern, bedarf es jedoch weiterer Innovationen. Zwar gibt es verschiedene Speichertechnologien, noch sind deren Wirkungsgrade aber vergleichsweise gering. Um Tagesschwankungen auszugleichen, würden jedoch auch kleinere Batterien ausreichen. So verbraucht ein Zweipersonenhaushalt circa fünf bis sieben kWh pro Tag. Eine Speicherkapazität von 10 kWh genügt in diesem Rahmen völlig. Für größere Dimensionen – beispielsweise bei Industrie- und Handelsimmobilien – müssen jedoch effektivere Speichertechnologien eingesetzt werden. Noch sind diese Lithium-Ionen-Produkte in Form von Groß- oder Containerbatterien preislich nicht für alle Unternehmen rentabel. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass die Nachfrage stark steigt und die Preise im Zuge der dann möglichen Massenproduktion sinken werden. Bis dahin, ist die Politik gefragt, diese Technologien beispielsweise durch Fördermittel weiter voranzutreiben. Ohne diese wird eine flächendeckende energetische Sanierung nicht gelingen.
Akzeptanz schaffen für alternative Kraftwerke und Smart Grids-Ausbau
Neben der inhouse produzierten Energie tragen dezentrale Windkraftanlagen, Gas- und Dampf-Heizkraftwerke, Blockheizkraftwerke zu einem vernünftigen Energiemix bei, der die Stromversorgung dauerhaft sichert. Für welche Regionen die verschiedenen Technologien jeweils rentabel sind, muss individuell analysiert werden – etwa hinsichtlich des geeigneten Standorts von Windkraftanlagen. Eine erhebliche Herausforderung ist es, die komplexen Genehmigungsverfahren zügig und korrekt zu durchlaufen. In diesem Rahmen müssen auch die Bürger in den Prozess eingebunden werden. Öffentlichkeitsarbeit, Informationsveranstaltungen und Bürgernähe sind heute unabdingbar, um ein Vorhaben von der Größenordnung der Energiewende, vom dem jeder einzelne Betroffen ist, umsetzen zu können. Dies gilt umso mehr, wenn es um den Ausbau von intelligenten Netzen – sogenannten Smart Grids – geht. Um ein funktionierendes Zusammenspiel von zentraler und dezentraler Energieerzeugung zu ermöglichen, sind diese zwingend erforderlich.
Globale Strategie erforderlich
Die Energiewende funktioniert nur, wenn man eine deutschland- oder europaübergreifende Lösung findet. Einzelaktivitäten stoßen zu schnell an ihre Grenzen und der Aufwand und Nutzen stehen in keinem rentablen Verhältnis. Einzelinteressen müssen einem zielorientierten gemeinsamen Prozess untergeordnet werden – auch das ist „the blue way“. Dabei müssen die Ziele im Prozessverlauf regelmäßig hinterfragt und gegebenenfalls optimiert werden. Das sture Festhalten an bestehenden Regeln und Richtlinien wird nicht zum Erfolg führen.
Peter Tzeschlock, Drees & Sommer AG
Peter Tzeschlock, Vorstandsvorsitzender, ist seit 1996 bei Drees & Sommer tätig, zunächst als Geschäftsführer verschiedener Drees & Sommer GmbHs, seit 2008 als Vorstand der Drees & Sommer AG. Die Kernkompetenzen Immobilienberatung und Engineering werden von ihm intensiv international vorangetrieben.