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Auslegung eines gemeinschaftlichen Testamentes: Die Bedeutung "unsere Kinder" bei einer Patchworkfamilie


04. Juni 2019, 14:08
PRESSEMITTEILUNG/PRESS RELEASE

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28. August 2018, Az.: I-3 Wx 6/18) hatte in einem Erbscheinsverfahren zu klären, wer mit dem Begriff „unsere Kinder“ in einem gemeinschaftlichen Testament (Ehegattentestament) gemeint sein könnte: nur die gemeinsamen Kinder der Eheleute oder auch solche Kinder, die die Ehepartner mit jeweils anderen Partnern hatten.

Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die testierenden Eheleute hatten drei gemeinsame Kinder A, B und C. Die Ehefrau hatte aus einer früheren Beziehung noch eine Tochter D ,der Ehemann einen Sohn E. In einem gemeinschaftlichen Testament setzen die Eheleute sich zunächst gegenseitig als Alleinerben ein. Außerdem bestimmten sie, dass nach dem Tod des Längerlebenden „das Erbe zu gleichen Teilen an unsere Kinder verschenkt werden“ solle.

Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Ehefrau als Alleinerbin einen Erbschein, der auch antragsgemäß erteilt wurde.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte deren Tochter D die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die gemeinsamen Kinder A, B, C und sie, die D, als Erben zu je ¼ ausweisen sollte. D war der Ansicht, dass mit der Formulierung „unsere Kinder“ in dem Testament nicht nur die gemeinsamen leiblichen Kinder des Ehepaares gemeint seien, sondern eben auch sie selber als Kind der Erblasserin aus erster Ehe. A, B und C hatten hiergegen keine Einwände, so dass der Erbschein antragsgemäß erteilt wurde. Dass der vorverstorbene Ehemann noch den Sohn E aus erster Ehe hatte, teilten die Kinder dem Nachlassgericht nicht mit.

Daraufhin beantragte der Sohn E seinerseits die Erteilung eines Erbscheins, in dem alle fünf beteiligten Kinder als gleichberechtigte Erben zu je 1/5 ausgewiesen werden sollten. Hiergegen wandten sich alle anderen beteiligten Kinder und gaben an, E sei nie in die Familie integriert gewesen, soziale Kontakte hätten zu E nicht bestanden. Nach der Trennung des vorverstorbenen Ehemannes von dessen erster Ehefrau sei auch sein Kontakt zu E abgebrochen. Die Tochter D habe hingegen im gemeinsamen Haushalt der Eheleute gelebt und sei als gemeinsames Kind anerkannt gewesen.

Nach Anhörung aller Beteiligten wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Sohnes E als unbegründet ab. Hiergegen legte E Beschwerde beim OLG ein. Dieses wies die Beschwerde des E ebenfalls ab.

Das OLG entschied, dass die von den Eheleuten gewählte Formulierung „unsere Kinder“ keine Erbeinsetzung zugunsten des Sohnes E enthalte. Der Senat begründete dies damit, dass die entscheidungserhebliche Formulierung im gemeinschaftlichen Testament „unsere Kinder“ auslegungsbedürftig sei, denn aufgrund der Tatsache, dass „Kinder“ der Eheleute nicht nur die Kinder A, B und C als gemeinsame Abkömmlinge, sondern auch D und E sind, ist die testamentarische Verfügung in Bezug auf den Sohn E unklar. Daher sei der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Bei einem gemeinschaftlichen Testament sei stets der Willen beider Testierenden zu berücksichtigen.

Das OLG wertete die Aussagen der Beteiligten dahingehend, dass der im gemeinschaftlichen Testament verwendete Begriff „unsere Kinder“ „unsere gemeinsamen Kinder“ bedeute. Die Kinder hatten vor Gericht ausgesagt, dass die Eltern immer zwischen den gemeinsamen Kindern A, B und C auf der einen Seite und den Kindern D und E aus den ersten Ehen der Ehepartner unterschieden hätten. Von entscheidender Bedeutung war für die Richter auch, dass die Tochter D ausdrücklich erklärt hat, dass sie die Initiatorin des Testaments gewesen sei. Sie habe gewusst, dass ihre Eltern speziell ihre gemeinsamen Kinder hätten versorgt wissen wollen, weil das Vermögen auch in der Ehe erwirtschaftet worden sei. Alles sei gemeinsam – auch mit ihr – besprochen worden. Außerdem gab eines der gemeinsamen Kinder an, die Mutter habe ihm das Testament gezeigt und dazu bemerkt, dass sie mit „unsere Kinder“ nur die drei ehelichen Kinder meinte. Daher sah es das OLG als folgerichtig an, auch hinsichtlich der Erbfolge zwischen den gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kindern zu unterscheiden.

Außerdem sei nicht ersichtlich, dass die Erblasserin den Sohn E des vorverstorbenen Ehemannes als Erben habe einsetzen wollen. Zu ihm bestand kaum Kontakt. Auch der Umstand, dass die Tochter D in ihrem eigenen Erbscheinsantrag noch angegeben hatte, unter dem Begriff „unsere Kinder“ seien nicht nur die leiblichen Kinder des Ehepaares zu verstehen, führe zu keiner anderen Entscheidung. Dieser Umstand, so dass OLG, könne nicht zur Begründung des Antrages des Sohnes E herangezogen werden.

Das OLG wies das Nachlassgericht jedoch an, zu prüfen, ob der der Tochter D erteilte Erbschein von Amts wegen wieder eingezogen werden müsste.

Wie man an diesem Fall gut erkennen kann, kommt es bei der Testamentserrichtung entscheidend auf die richtige und eindeutige Wortwahl an. Dies gilt umso mehr in Patchworkfamilien. Werden hier unklare Formulierungen verwendet, kann es im Nachhinein zu unschönen und teuren Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang kommen. Vermeiden Sie dies, indem Sie Ihr Testament von einem auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt entwerfen lassen. Fachanwältin für Erbrecht Kristin Winkler steht Ihnen bei Fragen gern zur Verfügung: https://www.gwgl-hamburg.de/team/kristin-winkler/

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