Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13 seine sog. Interessenkollisionsrechtsprechung, welche mit dem von TILP im Jahr 2006 erstrittenen Kickback-Urteil begann, zugunsten von Anlegern ausgebaut. Er hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 07.10.2013 zum Az. I-9 U 101/12 aufgehoben und die Sache an das OLG zur weiteren Tatsachenfeststellung zurückverwiesen. Es ging um die Klage einer Kommune gegen die ehemalige WestLB wegen Empfehlung von Zinssatz-Swaps.
Zwar muss die klagende und vorinstanzlich obsiegende Kommune wegen der Zurückverweisung vor Gericht nun quasi in eine zweite Runde, doch hat der BGH zugleich die Rechte von Kunden bei Swap-Verträgen ohne konkreten Grundgeschäftsbezug in einem zentralen Punkt gestärkt: In solchen Fällen ist von der Bank ungefragt über den sog. negativen Marktwert bei allen Arten von Swaps aufzuklären, selbst wenn sie nicht komplexer Natur sind.
Dies hat Auswirkungen auf alle Swap-Kunden (Private, Mittelständler, Kommunen).
Der BGH hat nun erstmals entschieden, dass Banken, die zum Abschluss eigener Swaps raten, ihre Vertragspartner grundsätzlich bei allen Swap-Verträgen, also nicht nur bei einem CMS Spread Ladder Swap, die keinen konkreten Grundgeschäftsbezug haben, bei Abschluss über den von ihr einstrukturierten sogenannten anfänglichen negativen Marktwert sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unabhängig von der Komplexität der Swaps informieren müssen. Dies war bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
Es ist aus Kundensicht zu begrüßen, dass der BGH nunmehr seine Grundsätze zur Offenlegung eines schwerwiegenden Interessenkonflikts auf alle Swap-Verträge ausgeweitet hat. Dies umfasst somit auch den sogenannten Plain Vanilla Swap, also den einfachsten aller Swaps.
Positiv für Bankkunden ist weiter, dass Vorteile, die der Kunde aus anderen Zinssatz-Swap-Verträgen mit der beklagten Bank gezogen hat, im Zuge der Vorteilsausgleichung keine Berücksichtigung finden. Das OLG Düsseldorf muss nun die Vorgaben des BGH nach Zurückverweisung berücksichtigen.
Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb bei Vorliegen eines schwerwiegenden Interessenkonflikts eine Aufklärungspflicht bezüglich des sogenannten anfänglichen Marktwerts allein dann nicht bestehen soll, wenn ein Grundgeschäftsbezug zu einem Darlehen vorliegt. Der schwerwiegende Interessenkonflikt der beratenden Bank, die auch Swap-Vertragspartnerin ist, bleibt bestehen, gleich, ob dem Swap ein konnexes Darlehen zugrunde liegt oder nicht. Das Abgrenzungskriterium des BGH der Konnexität überzeugt daher nicht. Abgesehen schafft es neue Unklarheiten.
Wichtig wird nun auf Tatsachenebene, ob der konkrete Swap der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften dient oder nicht.
Noch völlig offen ist, welche Anforderungen bezüglich dieses „konnexen Grundgeschäftsbezugs“ gelten sollen. Hier bleibt die Begründung des Urteils abzuwarten. Die Konnexitätsanforderungen sind nach Ansicht unserer Kanzlei eng und damit streng zu beurteilen, mit anderen Worten, wenn der Swap z.B. hinsichtlich Darlehensabschlusszeitpunkt, Darlehensvolumen, Zins- und Tilgungslast und Laufzeit des Darlehens keinerlei Kongruenz aufweist, fehlt es an der erforderlichen Konnexität (siehe dazu OLG Stuttgart, Urteil vom 27.06.2012, 9 U 140/11, WM 2012, 1829 ff.).
Dies gilt ebenso, wenn der Swap gerade nicht der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften dient, sondern allein der Realisierung von Gewinnen. Andernfalls würde jede lose Verknüpfung des Swaps mit einem irgendwie gearteten Grundgeschäft die Bank von der Aufklärungspflicht entbinden.
Zur Frage der Konnexität empfiehlt sich ggf. die Einholung eines Sachverständigengutachtens, falls die Bank dies behaupten sollte. Unsere Kanzlei hat gute Erfahrungen mit der Einbeziehung entsprechender Expertisen.
Wenn tatsächlich ein konnexes Grundgeschäft vorliegt, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Kunde korrekt beraten wurde. So kann die Kombination zwischen Swap und Darlehen nach den Grundsätzen anleger- und objektgerechter Beratung durchaus eine Falschberatung darstellen.
Auch länger zurückliegende Swap-Verträge sind betroffen
Angesichts der zumindest seit 1984 verfestigten Rechtsprechung des BGH zur Offenlegung von Interessenkonflikten, können sich die Banken im Rahmen der Verjährung nicht erfolgreich auf einen sogenannten Rechtsirrtum berufen (siehe dazu auch das von unserer Kanzlei erstrittene Urteil des BGH vom 15.07.2014, XI ZR 418/13.
Ein vorsätzliches Organisationsverschulden der Bank liegt vor, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Kenntnis seiner Verpflichtung zur Aufklärung über Interessenkonflikte es gleichwohl unterlassen hat, seine als Berater tätigen Mitarbeiter anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären (siehe dazu BGH, Urteil vom 27.11.2014, III ZR 294/13).
Mehr Informationen: http://www.tilp.de/swaps-derivate
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