Der Bundesrat hat sich heute abschließend mit dem jüngst vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren befasst. Ich begrüße den heute in der Länderkammer gefassten Beschluss, Einwendungen gegen das Gesetz nicht zu erheben, das damit jetzt umgehend in Kraft treten kann.
Das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte setzt europäische Mindestrechte für Beschuldigte in unser nationales Strafverfahrensrecht um. Für die Schaffung solcher Mindeststandards auf dem Gebiet der Sprachmittlung und Information hat sich Deutschland auf europäischer Ebene nachdrücklich eingesetzt. Denn das Mehr an Rechtsstaatlichkeit in ganz Europa macht die politische Union auch mehr zu einer Union der gemeinsamen Grundwerte.
Der gesetzgeberische Handlungsbedarf in Deutschland beschränkt sich auf wenige Teilbereiche, in denen aufgrund europäischer Vorgaben einzelne Gewährleistungen noch weiter ausgebaut werden sollen. So mussten die geltenden Regelungen etwa um die ausdrückliche Pflicht zur schriftlichen Übersetzung verfahrenswichtiger Dokumente und vereinzelte Belehrungs- und Dokumentationspflichten ergänzt werden. Im Übrigen sind im deutschen Strafverfahrensrecht bereits zahlreiche Informations- und Teilhaberechte verankert. Ohnehin darf der Beschuldigte nach unserem rechtsstaatlichen Grundverständnis nie bloßes Objekt des Verfahrens sein. Das Strafprozessrecht nimmt deshalb schon bisher besondere Rücksicht auf Personen, die nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen oder hör- beziehungsweise sprachbehindert sind. Auch die Information des Beschuldigten über seine Verteidigungsrechte ist bereits nach geltender Rechtslage Pflicht für sämtliche Ermittlungsbehörden.
Zum Hintergrund:
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (Umsetzungsfrist: 27. Oktober 2013) und der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren in das nationale Recht.
Die beiden jetzt umzusetzenden Richtlinien haben Mindestverfahrensrechte des Beschuldigten auf dem Gebiet der Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen und hinsichtlich der Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren zum Gegenstand. Sie entsprechen den Maßnahmen A und B, die der Rat in seiner Entschließung vom 30. November 2009 über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten im Strafverfahren vorgesehen hat.
Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen
Kernpunkt der zur Umsetzung der Richtlinie über das Rechts auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren notwendigen Rechtsanpassungen ist die ausdrückliche Kodifizierung einer Pflicht zur schriftlichen Übersetzung verfahrenswichtiger Dokumente, insbesondere von Strafurteilen. Diese Übersetzungspflicht soll nach der Neuregelung – im Einklang mit den Ausnahmetatbeständen der Richtlinie 2010/64 – vor allem in Fällen des verteidigten Angeklagten in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt werden. Weiterhin sieht die Neuregelung die Möglichkeit eines Verzichts des Beschuldigten auf die schriftliche Übersetzungsleistung vor und hält die jeweils als Dolmetscher oder Übersetzer eingesetzte Person zur Verschwiegenheit an.
Recht auf Belehrung und Unterrichtung
Zur Umsetzung der Richtlinie über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren sieht der Gesetzentwurf des Gerichtsverfassungs- und Strafverfahrensrechts nur wenige Ergänzungen vor, wie dort bislang noch nicht enthaltene Belehrungen und Dokumentationspflichten. So soll insbesondere ein Hinweis auf das Recht auf Dolmetscherleistungen vor Vernehmungen durch das Gericht sowie durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft erfolgen, ebenso im Rahmen der schriftlichen Belehrung nach Festnahme. Im letztgenannten Fall soll der Beschuldigte auch schriftlich über die Möglichkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers sowie die Rechte auf Auskunft und Akteneinsicht belehrt werden. Der Gesetzentwurf sieht zudem eine für sämtliche Behörden einheitliche Dokumentationspflicht hinsichtlich der von ihnen vorgenommenen Ermittlungshandlungen vor.