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WERTE.IT

Verein

Wirtschaftlicher Mehrwert durch digitale Barrierefreiheit?


27. November 2024, 14:54
Hamburg,
Deutschland
Bericht

Eine aktuelle Studie will den wirtschaftlichen Nutzen eines Umstiegs auf digitale Barrierefreiheit in überzeugenden Zahlen belegen. Ein Experte aus dem Projekt WERTE.IT rät jedoch, diese mit Vorsicht zu genießen.

Forschungsprojekt WERTE.IT zur aktuellen Studie von Capterra zur Barrierefreiheit auf Websites

Eine aktuelle Studie will den wirtschaftlichen Nutzen eines Umstiegs auf digitale Barrierefreiheit in überzeugenden Zahlen belegen. Ein Experte aus dem Projekt WERTE.IT rät jedoch, diese mit Vorsicht zu genießen.

Im Projekt WERTE.IT steht ein werteorientiertes Management in der Informationstechnologie im Mittelpunkt. Das übergreifende Ziel des durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales[1] (BMAS) geförderte Projekt ist es, die Voraussetzungen für IT-Barrierefreiheit und Inklusion in Unternehmen und Organisationen zu schaffen, die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zu begleiten und Tools zu entwickeln. Dies insbesondere, um den Zugang zu IT-Arbeitsplätzen für Menschen mit sensorischen Behinderungen, besonders für blinde und sehbehinderte Menschen zu verbessern. Dafür setzt sich das Team gezielt für einen Paradigmenwechsel in Unternehmen ein und will auch von den Vorteilen barrierefreier IT-Infrastrukturen überzeugen.

Noch immer erkennen viele Unternehmen den behinderungsübergreifenden Mehrwert von digitaler Barrierefreiheit nicht. Das Resultat: Die Umsetzung wird oft nicht mit der nötigen Dringlichkeit und Konsequenz verfolgt. Dies musste das Projektteam in den vergangenen Monaten im Gespräch mit verschiedenen Unternehmen und Organisationen immer wieder feststellen.

Die aktuelle Studie von Capterra unterstreicht die positiven Effekte einmal mehr: Sie zeigt, dass Unternehmen durch digitale Barrierefreiheit nicht nur inklusiver, sondern auch wirtschaftlich erfolgreicher werden können.

Zentrale Ergebnisse der Studie:

  • 74 % der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass sie bereits Kunden verloren haben, weil ihre Website keine barrierefreien Funktionen bietet.
  • Für 80 % der Unternehmen hat Barrierefreiheit hohe bis sehr hohe Priorität.
  • 39 % der Unternehmen, die barrierefreie Funktionen anbieten, verzeichnen Verbesserungen ihrer SEO-Leistung.

(Quelle: https://www.capterra.com.de/blog/6894/barrierefreiheit-auf-websites-stu…, abgerufen am 07.11.2024)

 

 

Allerdings sollte diese positive Perspektive nicht darüber hinwegtäuschen, dass die tatsächliche Umsetzung digitaler Barrierefreiheit in der Praxis oft hinter den Erwartungen zurückbleibt. Wie ein Experte aus dem WERTE.IT-Projektteam betont:

„Die Zahlen der Capterra-Studie machen auf den ersten Blick Hoffnung. Doch wenn ich das mit den Erfahrungen vergleiche, die wir im Rahmen von WERTE.IT gemacht haben, frage ich mich, wo die 80 % herkommen, bei denen Barrierefreiheit eine hohe Priorität haben soll. Letztlich ist das immer eine Frage der Definition. Die Realität zeigt uns, dass Unternehmen zwar zunehmend sensibilisiert sind, aber es fehlt oft an konkreten Strategien und Umsetzungen."

Insbesondere die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung bleibt ein Bereich, in dem viele Unternehmen und Organisationen noch Nachholbedarf haben. Obwohl das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab dem 28.06.2025 neue Standards setzen wird, gibt es bislang zu wenig Hinweise darauf, dass Unternehmen gezielt inklusive Maßnahmen in Angriff nehmen.

Das Projektteam von WERTE.IT bietet Unternehmen konkrete Unterstützung bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen durch individuelle Beratung und maßgeschneiderte Strategien. Im Fokus steht, Barrierefreiheit und Inklusion von Anfang an mitzudenken. Unternehmen profitieren nicht nur von zugänglichen Produkten, sondern auch von einer breiteren Kundenbasis und zudem qualifizierten blinden oder sehbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit ist nicht nur eine gesellschaftliche Verpflichtung, sondern auch ein wirtschaftlich kluger Schritt. Doch sie erfordert mehr als nur Lippenbekenntnisse – sie erfordert Taten.


 

[1] Finanziert aus dem „Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben“

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