Noch fünf Wochen bis zum 90-jährigen Jubiläum der 24 Stunden von Le Mans. Innerhalb von 14 Jahren hat Audi den Klassiker elf Mal gewonnen und dabei stets auch aerodynamische Bestleistungen erbracht. Sie sind ein wesentlicher Grund dafür, dass trotz reglementbedingt gesunkener Motorleistungen immer wieder exzellente Rundenzeiten erreicht werden.
Ein Blick auf den ersten Sportprototyp von Audi verrät einiges: Das aerodynamische Konzept des Audi R8R von 1999 unterscheidet sich deutlich von dem des aktuellen R18 e-tron quattro – nicht nur, weil der erste Rennwagen ein offenes und der aktuelle ein geschlossenes Cockpit aufweist.
Auf dem Weg von damals bis heute blieb kein Aspekt der Aerodynamik unangetastet:
-Die Wasserkühler des Motors lagen beim R8R noch flach im Bug. Die warme Abluft entwich aus der vorderen Haube vor der Cockpitöffnung und strömte teilweise über das Cockpit sowie nach rechts und links. Um die Anströmung des Hinterwagens mitsamt dem Heckflügel zu optimieren, integrierte Audi seit dem Audi R8 (2000) Wasser- und Ladeluftkühler in die Seitenkästen. Dies ermöglicht einen deutlich verbesserten Luftfluss.
-Mit Einführung der Diesel-Direkteinspritzung im Audi R10 TDI in der Saison 2006 stieg der Kühlbedarf aufgrund des anderen Brennverfahrens um etwa 30 Prozent. Der seit 2012 eingesetzte Audi R18 e-tron quattro verfügt außerdem über einen Niedertemperatur-Kreislauf zur Kühlung des Hybridsystems – eine weitere Herausforderung. Dennoch war noch nie ein LMP-Sportwagen von Audi aerodynamisch so effizient wie der R18 e-tron quattro.
-Ein großer Fortschritt gelang Audi mit dem innovativen Mikrokanal-Kühler. Der klassische Aluminium-Lamellenkühler, der einen hohen Luftwiderstand erzeugt, hat ausgedient. Die Kühlflüssigkeit fließt im R18 e-tron quattro durch ein System von mehr als 11.000 Röhrchen pro Kühler, die keine Lamellen mehr benötigen. Diese Kühler lassen sich frei konfigurieren: Bei gleichbleibender Kühlergröße lässt sich der Druckabfall des Luftstroms um mehr als 25 Prozent verringern. Alternativ kann bei gleichbleibenden Druckverhältnissen die Größe des Kühlers entsprechend reduziert werden.
-Beim Verhältnis von Abtrieb zu Luftwiderstand hat Audi die LMP-Sportwagen stetig optimiert. Diese Angabe drückt aus, wie sehr die Aerodynamiker den Abtrieb des Rennwagens verbessert haben, ohne in gleichem Maße den Luftwiderstand zu erhöhen.
-Audi erzielte diese Fortschritte, obwohl das Reglement den Spielraum für die Aerodynamiker immer stärker eingeschränkt hat. So durfte der Heckflügel zu Projektbeginn 1999 ein Volumen von maximal 2.000 mm (Breite) x 400 mm (Länge) x 150 mm (Höhe) ausfüllen. Heute betragen die Werte nur noch 1.600 x 250 x 150 mm. Durch eine Vielzahl von Einzellösungen wie dem oben aufgehängten Heckflügel (seit dem Audi R15 TDI im Jahr 2009) hat Audi einen großen Teil des verlorenen Abtriebs wieder wettgemacht. Er erlaubt eine wesentlich verbesserte Anströmung des Flügels. Dieses Prinzip fand viele Nachahmer.
-Auch die Maßgaben für den Unterboden wurden deutlich verändert. Seit dem Audi R10 TDI (2006) muss der Profilquerschnitt um sieben Grad zu den Flanken hin ansteigen, ebenso ist eine zentrale Holzplatte unter dem Chassis vorgeschrieben. Trotz derartiger Einschränkungen erzielt ein moderner LMP-Sportwagen Abtriebswerte, die es ihm theoretisch erlauben würden, bei hohem Tempo an der Decke eines Tunnels zu fahren, ohne herunterzufallen.
-Überraschendes birgt beispielsweise die Verteilung der aerodynamischen Lasten an einem Sportwagen: So generiert der vordere Diffusor zusammen mit dem Heckflügel die Hälfte des Abtriebs, wie auch der Unterboden mit Heckdiffusor. Diesem Abtrieb wirkt ein unvermeidbarer Auftrieb entgegen, der durch den Luftfluss um das Cockpit und über die Karosserie entsteht: Er entspricht etwa einem Viertel des Abtriebswerts.
„Wie groß die aerodynamischen Fortschritte sind, lässt sich an den Rundenzeiten ablesen“, hebt Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich hervor. „Natürlich gibt es viele weitere Einflussfaktoren – den Antrieb, die Reifen, das Fahrwerk, den ultra-Leichtbau oder die Gewichtsverteilung. Nur ein Vergleich: 2006 betrug die schnellste Rennrunde in Le Mans 3.31,211 Minuten. Der R10 TDI hatte damals 12 Zylinder, 5,5 Liter Hubraum und war mit mehr als 650 PS unser stärkster LMP-Sportwagen. Sechs Jahre später betrug die beste Rundenzeit 3.24,189 Minuten. Unsere Autos waren mehr als sieben Sekunden schneller geworden. Der V6-TDI-Motor des Audi R18 ultra durfte 2012 aber nur noch 3,7 Liter Hubraum haben und leistete rund 510 PS. Ein erheblicher Teil dieser Fortschritte ist der optimierten Aerodynamik zu verdanken. In diesem Jahr starten wir mit einer Langheck-Karosserie, von der wir uns für Le Mans Vorteile versprechen.“