In den Talkshows geben sich Politiker die Klinke in die Hand. Woche für Woche. Wochenende für Wochenende. Es wird viel geredet, geschimpft und gefordert. Aber fast niemand unserer Politiker stellt sich einmal seiner wirklichen Aufgabe: „Ja, ich wurde vom Souverän gewählt und ich packe das jetzt an.“
Und dabei ist es ja nicht so, dass wir nichts zu tun hätten. Wir haben Baustellen in diesem Land, die einfach nicht fertig werden. Man könnte daraus sogar eine mathematische Formel erstellen:
Größe der Baustelle (GB) = Normalbauzeit (T) x Unbekannte (y).
Es ist die Unbekannte (y), die es bei der Umsetzung von Großprojekten so schwer macht. Langwierige Planfeststellungsverfahren, immer mehr Behördenhürden, Schutzverordnungen, Demonstrationen, Klagen, Gerichtsprozesse, Fehlplanungen, Kostenexplosionen und durchsetzungsschwache Politiker. Am schlimmsten wird es, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenspielen.
Wie das dann in der Realität aussieht, erkennt man an folgenden bekannten Beispielen, die das ganze Dilemma aufzeigen:
FLUGHAFEN BERLIN-BRANDENBURG „WILLY BRANDT“
(Baubeginn: 2006, geschätzte Kosten: 6 Mrd. Euro)
Ein Schrecken ohne Ende: Von unzähligen Mängeln ist die Rede, der Eröffnungstermin wurde bereits vier Mal verschoben. Auch der Termin für 2017 ist voraussichtlich nicht einzuhalten. Selbst Comedians wie Mario Barth, der in seiner Sendung „Mario Barth deckt auf!“ die Steuerverschwendungen beim Flughafen BER aufdeckt, scherzen zunehmend über die Dauerbaustelle in Berlin. Darüber hinaus steht der Flughafen bereits vor einem nächsten Problem. Bereits 2030 soll die Kapazität ausgeschöpft sein und der steigenden Anzahl an Fluggästen nicht mehr gerecht werden. Wann das erste Flugzeug endlich starten kann, bleibt weiterhin offen.
STUTTGART 21
(Baubeginn: 2010, geschätzte Kosten: 6,8 Mrd. Euro)
Unvergessen sind die Bilder von Baumbesetzern und Protesten aus dem Ländle. Auch wenn die Bauarbeiten am Sorgenbahnhof momentan zumindest stückweise voran gehen, bleibt das Projekt weiterhin ein ernstes und viel diskutiertes Thema. Verspätete Termine, explodierende Kosten. Und das Problem mit dem Artenschutz ist dabei auch noch nicht vom Tisch. Durch die „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ der Europäischen Union steht ein Teil des geplanten Areals unter besonderem Schutzstatus. Man denke an den äußerst schützenswerten Juchtenkäfer, den vorher aber kein Mensch kannte. Geplant ist die Eröffnung zumindest für Ende 2022. Ob das Schwabenland diesen Zeitrahmen allerdings einhalten kann, ist zweifelhaft. Stuttgart ist keine Vorzeigestadt für funktionierendes Verkehrswesen.
3. STARTBAHN FLUGHAFEN MÜNCHEN
(Baubeginn: noch nicht beschlossen, geschätzte Kosten: 1,59 Mrd. Euro)
Nachdem ein Bürgerentscheid den Ausbau des Flughafens für ein Jahr gestoppt hat, liegt es jetzt in den Händen der Politik, das Projekt und damit auch die Region voranzutreiben. Dafür sprechen nicht nur steigende Zahlen bei Passagieren und Fracht, welche beide im vergangenen Jahr nochmals gestiegen sind. 2015 zählte der Münchner Flughafen insgesamt 41 Millionen Passagiere, davon 6,5 Millionen Gäste im internationalen Flugverkehr. Die Luftfracht wuchs sogar noch stärker: 317.000 Tonnen oder 9 Prozent mehr Güter wurden über den Airport transportiert. Insgesamt ist die Zahl der Flugbewegungen auf rund 380.000 Starts und Landungen im Jahr gestiegen (plus 1 Prozent).
FEHMARNBELT-TUNNEL
(Baubeginn: voraussichtlich 2016, geschätzte Kosten: 7 Mrd. Euro)
Trotz der guten Nachricht, dass die Kosten des Tunnels voraussichtlich doch geringer ausfallen könnten als bisher geplant, ist immer noch kein Baubeginn in Sicht. Dem Mammutprojekt Fehmarnbelt-Tunnel, der Deutschland und Dänemark miteinander verbinden soll, steht noch viel Arbeit bevor. Nachdem Unsicherheit und hohe Kosten die politische Zustimmung zum Vorhaben in Dänemark zuletzt ins Wanken gebracht haben, fehlt jetzt noch die deutsche Baugenehmigung, um nächste Schritte planen zu können. Da auch hier die rund 18 Kilometer lange Verbindung vor allem bei Naturschützern in Deutschland in der Kritik steht, könnten Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss den Baubeginn noch weiter in die Länge ziehen.
AUTOBAHNRING MÜNCHEN
(Baubeginn: derzeit gestoppt, geschätzte Kosten: 1,2 Mrd. Euro)
Erste Planungen gibt es bereits seit 1936. Das ist jetzt 80 Jahre her. Teilstücke wurden im Laufe der Zeit zwar fertig gestellt, der entscheidende Ringschluss scheint aber nach wie vor in weiter Ferne. Dabei gibt es viele Gründe die für den Ringschluss sprechen: Er entlastet die Innenstadt von überflüssigem LKW- und Transitverkehr, reduziert den lästigen stop and go Verkehr, reduziert Unfälle und beschert den Anwohnern frischere Luft. Es fehlen nur noch 2 Teilstücke von der A96 Lindau zur A95 Garmisch bis zur A8 Salzburg. Hierzu gibt es bereits fertige Planungen, die den Autobahnring vor allem tunnelgeführt vorsehen. Wirklich gute, durchdachte und realisierbare Planungen. Konkret ist leider dennoch nichts. Aus besagten Gründen.
Als Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V. betont Dr. Michael Haberland bereits seit Jahren, dass Infrastruktur die Basis für die funktionierende Wirtschaft eines Landes ist: „Konjunktur braucht Infrastruktur. Mobilität braucht Infrastruktur. Das klingt nicht sexy, ist aber die ungeschminkte Wahrheit. Wenn ich mir so ein Trauerspiel wie am Berliner Flughafen ansehe, frage ich mich, was los in diesem Land ist? Ob das denn jetzt immer so weiter geht bei jedem größeren Bauvorhaben, oder ob es bald gar keine großen Projekte mehr geben wird? Die wir aber dringend brauchen, um Mobilität und Verkehr gewährleisten zu können. Ich glaube, wir brauchen einen Turbo im Bau- und Infrastrukturbereich. Zumindest aber einige PS mehr.“