Direkt zum Inhalt
Rechtsanwalt Mathias Nittel - Fachanwalt für Erbrecht | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmakrtrecht

Anwaltskanzlei

Das Berliner Testament – Fallstricke des Ehegattentestaments


25. Juli 2024, 15:49
München,
Deutschland
Bericht

Das Berliner Testament ist eine spezielle Form des gemeinschaftlichen Testaments. Ziel ist es, den länger lebenden Partner finanziell abzusichern und Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden. Das Berliner Testament weist aber auch zahlreiche Fallstricke auf, die durch gründliche Beratung und Gestaltung vermieden werden können.

Grundprinzipien des Berliner Testaments

Im Berliner Testament wird festgelegt, dass der überlebende Partner im Erbfall zunächst den gesamten Nachlass erbt (Vollerbschaft), während die Kinder oder andere Erben erst nach dem Versterben beider Elternteile ihren Erbteil erhalten. Dies soll sicherstellen, dass der hinterbliebene Partner finanziell abgesichert ist und der Nachlass nicht während seiner Lebenszeit aufgeteilt werden muss.

 

Beispiel:

„Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tode von uns beiden sollen unsere Kinder zu gleichen Teilen erben.“

 

Erstellung des Berliner Testaments

Ein Berliner Testament kann eigenhändig oder notariell erstellt werden. Beide Ehepartner müssen das Testament eigenhändig unterschreiben, und es sollte klar und verständlich formuliert sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

  • Eigenhändige Erstellung: Beide Partner schreiben und unterschreiben das Testament selbst.
  • Notarielle Erstellung: Ein Notar hilft bei der Formulierung und sorgt dafür, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.

 

Unterschiede zwischen Einzel- und Gemeinschaftstestament

Ein Einzeltestament wird von einer Person allein verfasst und regelt ausschließlich die Erbfolge dieser Person. Es ist jederzeit und ohne Zustimmung einer anderen Person widerrufbar oder änderbar. Ein gemeinschaftliches Testament hingegen wird von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam verfasst (§ 2270 BGB). Es regelt die Erbfolge beider Partner und enthält oft wechselbezügliche Verfügungen, die in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängen.

Wann ist ein Berliner Testament sinnvoll?

Ein Berliner Testament ist vor allem dann sinnvoll, wenn Ehepartner sich gegenseitig bestmöglich absichern wollen und sicherstellen möchten, dass im Erbfall niemand aus dem vorhandenen Vermögen ausbezahlt werden muss, keine Erbauseinandersetzung erfolgt und der überlebende Ehegatte in der gemeinsamen Immobilie wohnen bleiben kann. Der Nachlass und das gemeinsame Vermögen der Ehegatten bleiben so in der Familie.

 

Hier sind einige Situationen, in denen ein Berliner Testament besonders vorteilhaft sein kann:

  • Finanzielle Absicherung des länger lebenden Partners: Wenn der verbleibende Partner nicht selbst über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, kann ein Berliner Testament verhindern, dass er durch Pflichtteilsansprüche der Kinder in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
  • Erhalt des Familienvermögens: Das Berliner Testament kann dazu beitragen, dass das Vermögen der Familie nicht durch die Teilung unter den Erben aufgesplittet wird, sondern als Ganzes erhalten bleibt.
  • Vermeidung von Streitigkeiten: Durch klare Regelungen kann das Berliner Testament potenzielle Erbstreitigkeiten unter den Nachkommen vermeiden.
  • Schutz von minderjährigen oder behinderten Kindern: Ein Berliner Testament kann sicherstellen, dass der überlebende Partner die Verantwortung und Verwaltung des Vermögens übernimmt, bis die Kinder volljährig oder in der Lage sind, den Nachlass selbst zu verwalten.

 

Nachteile beim Berliner Testament

Obwohl das Berliner Testament viele Vorteile bietet, gibt es auch einige Nachteile und Risiken, die berücksichtigt werden sollten:

  • Bindungswirkung: Ein gemeinschaftliches Testament bindet die Ehepartner an die darin festgelegten Erbfolgeregelungen. Änderungen können nach dem Versterben eines Ehegatten nur schwer oder gar nicht mehr vorgenommen werden.
  • Pflichtteilsansprüche: Kinder haben trotz Berliner Testament einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch, der sofort nach dem Tod des ersten Elternteils geltend gemacht werden kann. Die finanzielle Absicherung des länger lebenden Ehegatten ist nur dann vollständig, wenn die Kinder auf ihren Pflichtteil nach dem ersten Elternteil verzichten. Dieser Verzichtsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung.
  • Steuerliche Nachteile: Je nach Vermögenssituation und familiären Konstellationen können steuerliche Nachteile auftreten. Der steuerliche Freibetrag kann durch die Anordnung der Alleinerbschaft unter Umständen nicht optimal ausgenutzt werden.
  • Fehlende Flexibilität: Lebensumstände können sich ändern, und ein einmal errichtetes Berliner Testament bietet wenig Flexibilität, um auf veränderte Bedingungen zu reagieren.

 

Pflichtteilsrisiko und Pflichtteilsstrafklausel

 Kinder können trotz eines Berliner Testaments ihren Pflichtteil einfordern, was den überlebenden Partner finanziell belasten kann. Ein Pflichtteil ist ein im Erbrecht verankerter gesetzlicher Mindestanspruch auf das Erbe, der auch durch ein Testament nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

 

Beispiel:

Wenn ein Kind nach gesetzlicher Erbfolge Anspruch auf ein Viertel des gesamten Nachlasses hätte, beträgt der Pflichtteil die Hälfte davon, also ein Achtel des Nachlasses. Dies kann für den überlebenden Ehepartner eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, wenn die Kinder ihren Pflichtteil sofort geltend machen.

 

Eine Pflichtteilsstrafklausel kann Kinder möglicher Weise davon abhalten, ihren Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils zu verlangen, indem sie bei Forderung des Pflichtteils auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil erhalten.

 

Beispiel:

Wenn ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, wird es im Erbfall nach dem Tod des zweiten Elternteils so behandelt, als ob es bereits vorverstorben wäre, und erhält nur den Pflichtteil, nicht den Erbteil aus dem gemeinsamen Testament.

 

Bindungswirkung beim Berliner Testament

Die im deutschen Erbrecht vorgesehene Bindungswirkung gemeinschaftlicher Verfügungen tritt in Kraft, sobald einer der Ehepartner verstirbt. Ab diesem Zeitpunkt können die Regelungen im Testament nicht mehr einseitig geändert werden. Der lebende Partner ist an die gemeinschaftlich gefassten Bestimmungen gebunden und kann sie nur noch unter bestimmten Umständen oder gar nicht mehr ändern.

 

Beispiele für Bindungswirkung:

  • Erbeinsetzung des länger lebenden Partners: Der überlebende Ehepartner bleibt der Alleinerbe, wie im Testament festgelegt, und kann diese Erbeinsetzung nach dem Tod des ersten Partners nicht mehr ändern.
  • Schlusserbfolge: Die Schlusserben, also die Erben nach dem Tod des zweiten Partners, können nicht mehr geändert werden. Die im Berliner Testament festgelegten Schlusserben sind somit endgültig bestimmt.
  • Vermächtnisse und Auflagen: Alle im Testament enthaltenen Vermächtnisse und Auflagen bleiben unverändert bestehen und müssen vom länger lebenden Partner berücksichtigt werden.

 

Fazit

Das Berliner Testament ist grundsätzlich eine sinnvolle Möglichkeit für Ehepartner, sich gegenseitig abzusichern und das Familienvermögen zu erhalten. Es bietet jedoch auch Risiken und Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche der Kinder und der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments. 

Ehepartner sollten daher sorgfältig abwägen, ob das Berliner Testament für ihre persönliche und finanzielle Situation geeignet ist und gegebenenfalls juristischen Rat einholen, um sicherzustellen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse bei der Gestaltung des gemeinsamen letzten Willens bestmöglich berücksichtigt werden.

Rechtsanwalt Mathias Nittel - Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Als Fachanwalt für Erbrecht mit über 25 Jahren Erfahrung als Anwalt berate und vertrete ich Erblasser, Erben, Pflichtteilsberechtigte und Testamentsvollstrecker bei der Gestaltung von Testamenten, Erbverträgen und Schenkungen, bei der Erbschaftsabwicklung, in Erbscheinverfahren, beim Umgang mit Erbengemeinschaften, der Durchsetzung und Abwehr von Pflichtteilsansprüchen und der Testamentsvollstreckung.

Darüber hianus vertrete ich im BEreich der Anwaltshaftung Mandanten, die aufgrund von Pflichtverletzungen ihres Anwalts .Schäden erlitten haben, bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche.

Wirtschaftssektor:
Rechtsberatung
Kontakt