Hamburg/Katoomba, 15. Dezember 2022. – Warum wurde das Traditionshaus Joh. Cés. Godeffroy & Sohn in den 1840er Jahren zur größten Reederei Hamburgs? Worin bestand die eine, weit ausgreifende und vielgliedrige Spekulation der Kaufmannsfamilie Godeffroy in Ozeanien? – Jakob Anderhandt, wohnhaft in Australien, hat noch nicht gesichtetes Archivmaterial ausgewertet und liefert mit seiner zweibändigen Firmenbiographie einen neuen Blick auf eines der spannendsten Kapitel hanseatisch-ozeanischer Beziehungen.
Godeffroys Aktivitäten im ozeanischen Raum begannen mit Auswandererbeförderungen nach Australien, Tasmanien und Neuseeland um 1850. Bei Anderhandt stehen die Finanzierungsmodelle der Kaufmannsfamilie im Zentrum, dank denen die eigene Reederei gerade auch mittellose deutsche Auswanderer in eine neue Heimat bringen und so das nötige Passagiervolumen zum Aufbau eines regelmäßigen Segel-Liniendienstes gewinnen konnte. „Die Verschiffung Deutscher nach Australasien“, verrät Anderhandt, „führte aber schließlich auch dazu, dass Godeffroys in den Pazifik expandierten. Denn die britische Navigationsakte, ein Schifffahrtsgesetz, verbot es fremden Seglern, in britischen Kolonien Rückfracht zu nehmen. Daher gelang es Godeffroys anfangs nicht, ihre Linien-Rundfahrt in der Gewinnzone zu halten. Auch nach der Abschaffung des Gesetzes konnten sie mit britischen Reedern nicht wirklich konkurrieren. Die hatten sich inzwischen gut eingerichtet und gegen ein Einbrechen von Wettbewerbern abgesichert.“
Rückfracht für Hamburg kam stattdessen aus der Südsee – vor allem Kopra, das geschnittene und getrocknete Fleisch der Kokosnuss. In Europa wurde das Zwischenprodukt zu Öl verpresst und im Zuge der Industrialisierung bei der Herstellung von Kerzen, Margarine und Seife eingesetzt. Auf den Samoa-Inseln, wo die Südsee-Zentralstelle von Joh. Cés. Godeffroy & Sohn zu liegen kam, prägte der Koprazweig bald den gesamten Handel. Auch gründeten Godeffroys in der Südsee eigene Plantagen, auf denen ebenfalls Kopra hergestellt wurde.
Die Zahlungseinstellung von Joh. Cés. Godeffroy & Sohn zum Ende der 1870er Jahre überstand der Südseezweig überraschend schadlos. Vermutlich weil Godeffroys die große Krise hatten kommen sehen, hatten sie das Geschäft in ein anderes Unternehmen ausgelagert. „An dieser neuen Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee-Inseln zu Hamburg“, berichtet Anderhandt, „blieb die Familie über ein stattliches Aktienpaket beteiligt. Deshalb war es auch nach dem Aus für das Stammhaus mit dem Südsee-Geschäft der Godeffroys nicht vorbei.“ Zudem besetzte der älteste Sohn von Unternehmensgründer César VI. Godeffroy eine Direktorenstelle in Hamburg. Bis 1881 arbeitete auch noch ein jüngerer Sohn als leitender Agent auf Samoa. Die Geschichte der Godeffroys in Ozeanien ende deshalb, erklärt Anderhandt, erst 1896, als auch der älteste Godeffroy-Sohn aus der DHPG ausschied. „Das war der fundamentale Einschnitt. Nun, unter einem neuen, familienfremden Direktor als Nachfolger, veränderte sich das Geschäftsmodell der Firma so stark, dass von der Anfangsvision der Godeffroys, ihrer vielgliedrigen Spekulation und ihrer Art, ein Unternehmen zu führen, nichts mehr übrig blieb.“
Die beiden Bände sind ein gewaltiges, wissenschaftlich fundiertes Werk. Es dauerte acht Jahre, sie zu recherchieren und zu schreiben. Ausgewertet hat Anderhandt nicht nur deutsche Regierungsberichte über die Tätigkeit der Godeffroys in Ozeanien, sondern zudem zahlreiche Archivalien aus den britischen Kolonien Ozeaniens. Hunderte Schifffahrtsmeldungen in historischen Tageszeitungen zählen ebenso zu den Quellen wie die Geschäftskorrespondenz der Godeffroys mit den berühmten Baring Brothers & Co als Londoner Hausbank.
Der Autor Jakob Anderhandt wurde 1967 in Bonn geboren und lebt als freier Schriftsteller im Großraum Sydney, Australien. Während seiner ersten Weltreise als Überarbeiter auf einem Frachtschiff der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft passierte er auch mehrere Südsee-Inseln. Seine Biographie über den Südseekaufmann Eduard Hernsheim fand in einschlägigen Fachzeitschriften ein positives Echo und gilt als Standardwerk.
Die Südsee-Bibliothek erzählt wissenschaftlich fundiert vom deutschen Einfluss in Ozeanien ab etwa 1850. Historisch interessierten Lesern bietet sie einen lebendigen Einstieg in das Thema, Akademikern eine solide Material- und Arbeitsgrundlage. Wichtigster Grundsatz der Schriftenreihe ist ihre Treue zu den Quellen.
Jakob Anderhandt, Godeffroys in Ozeanien: Die Geschichte einer Spekulation – Firmenbiographie in zwei Bänden. Die Südsee-Bibliothek, Nr. 5 und 6.
Band 1 / Nr. 5
632 Seiten, Karten und Abb. in SW
Hardcover : ISBN 978-3-347-72272-9, 36,50 €
Paperback: ISBN 978-3-347-73408-1, 29,00 €
Band 2 / Nr. 6
572 Seiten, Karten, Abb. in SW u. Farbe
Hardcover: ISBN 978-3-347-72282-8, 36,50 €
Paperback: ISBN 978-3-347-73420-3, 29,00 €
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