Was haben Ex-Bundespräsident Christian Wulff, ZDF-Moderator Markus Lanz, Bi-schof Franz-Peter Tebartz-van Elst, FC-Bayern-Chef Uli Hoeness und so manches Casting-Model gemeinsam? Ihre öffentliche Demontage ist das Vergnügen vieler Deutscher. Für seinen satirisch-zuspitzenden Ratgeber „Anleitung zur Gehässigkeit“ hat Leander März sich intensiv mit den öffentlichen Abwertungsorgien in Online-Foren und -Communities befasst und die sieben wichtigsten Gehässigkeits-Regeln identifiziert.
„Nehmen Sie einen Täter, der tief fallen kann“, „Erklären Sie Mitleid als Verrat“, „Sprechen Sie Ihr eigenes Recht“ – diese und weitere Gehässigkeitsregeln gibt der Au-tor seinen Lesern an die Hand, um sie vermeintlich zu Experten des sozialen Lynchens zu befähigen. Deutlich wird, dass ein „Lynchvorgang“ am effektivsten ist, wenn er im spontan vernetzten Schwarm vollzogen wird. Dabei können sich die Beteiligten nicht nur am spektakulären Niedergang des Opfers erfreuen, sondern zugleich wahre Ge-meinschaft erleben. Moral muss dabei kein Hindernis sein. Im Gegenteil, Moral kann zur schärfsten Waffe werden, um das Opfer endgültig zu erledigen.
Verachtungsdiskurs wird entschlüsselt
Leander März’ Buch ist natürlich kein Ratgeber im klassischen Sinne. Es will nicht wirklich jemandem etwas beibringen. Vielmehr hat der Autor die Satire als stilisti-sches Mittel gewählt, um durch karikierende Zuspitzung den Verachtungsdiskurs un-serer Tage zu entschlüsseln und bewusster zu machen. Sein Spiel mit Leserzitaten, Werten und Weltanschauungen der Akteure wirkt anarchisch, zumal er sie mit vielen historischen Fällen und umfassend recherchierten Quellen, von der kleinen Gemein-heit bis hin zum großen Verbrechen, verknüpft. Allein deshalb ist März’ „Anleitung zu Gehässigkeit“ ein interessantes, lesenswertes Buch.
Der Schreibstil ist lustvoll-leidenschaftlich. Wer wissen möchte, wie diejenigen ticken, die die Online-Leserforen der großen Nachrichtenportale und Twitter, Facebook & Co. dazu nutzen, ungehemmt ihre soziale Demontage-Gelüste auszuleben, wird aus dem Gruseln kaum herauskommen. Denn der Autor beschreibt die Mechanismen dieser be-liebten Pöbelmaschinerie en Detail und mit Inbrunst.
Angesichts der Intensität der dargestellten öffentlichen Hassattacken entsteht beim Le-sen trotz der beißenden Ironie mitunter ein Beklommenheitsgefühl. Denn klar ist: Die Trolle und Pöbler im Web halten bereits Ausschau nach ihrem nächsten Opfer. Höchs-te Zeit also für eine konstruktivere Debattenkultur. Darauf hinzuweisen, ist Leander März’ eigentliches Anliegen. Somit wünscht man seinem Buch eine möglichst große Verbreitung.
Der Autor:
Leander März ist Diplom-Psychologe. Wenn er sich nicht gerade mit der Rettung der Debattenkultur befasst, berät, trainiert und coacht er weltweit Führungskräfte in Kon-flikt- und Kommunikationsfragen.