Wie problematisch dies werden kann, zeigt ein Fall, den das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verhandeln hatte. Ein kinderloses Ehepaar hatte sich 1987 in einem Berliner Testament gegenseitig zum Alleinerben eingesetzt. Regelungen bezüglich der Schlusserben wurden nicht getroffen. 2009 verfasste der Ehemann ein neues notariell beglaubigtes Alleintestament, in dem er seine Ehefrau zur Vorerbin und ihren Neffen sowie seine Schwester zu Nacherben einsetzte. Am gleichen Tag hatte er zudem den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments beurkunden lassen.
Da seine Frau zu diesem Zeitpunkt nicht mehr testier- und geschäftsfähig war, wurde ihr der Widerruf nicht unmittelbar zugestellt, sondern ihrem Betreuer. Dieser hatte aber nur eine sog. „Postvollmacht“. Er war zwar berechtigt, Briefe entgegenzunehmen und zu öffnen, hatte aber keine Vollmacht, um in Vermögensangelegenheiten zu handeln. Erst Monate nach Zugang des Widerrufs wurde sein Aufgabenkreis um „Vermögensangelegenheiten“ erweitert.
Dadurch sei der Widerruf nicht wirksam erfolgt. Die eingesetzten Nacherben hatten nach dem Tod des Ehepaars keinen Anspruch auf den Nachlass, entschied das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 9. Juni 2015 (11 Wx 12/15). Grundsätzlich könne ein gemeinschaftliches Testament auch dann noch widerrufen werden, wenn ein Partner nicht mehr testier- und geschäftsfähig ist. Dies sei aber nur unter der Einhaltung von Formvorschriften möglich. Der Widerruf kann aber nicht wirksam zugestellt werden, wenn der Betreuer lediglich den Geschäftskreis „Postvollmacht“ vertritt.
Da bei einem Berliner Testament beide Seiten an die gemeinschaftlichen Verfügungen gebunden sind, sind einseitige Änderungen nicht möglich. Ein Widerruf bedarf der förmlichen Zustellung beim anderen Ehepartner. Ist dieser verstorben, kann der Widerruf überhaupt nicht mehr erklärt werden. Dies zeigt, dass die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments wohl durchdacht sein muss. Denn einst getroffene Regelungen, sind Jahre später eventuell nicht mehr wunschgemäß. Da mit einem Testament regelmäßig auch in die gesetzliche Erbfolge eingegriffen werden kann, sind auch spätere Erbstreitigkeiten nicht auszuschließen.
Umso wichtiger ist es, die letztwilligen Verfügungen genau zu formulieren – insbesondere hinsichtlich der Bindungswirkung eines Ehegattentestaments. Doch auch bei fachmännischer Formulierung kann es immer wieder vorkommen, dass das Testament angezweifelt wird. Bei der Anfechtung oder Verteidigung eines Testaments sind die komplexen Regeln des Erbrechts zu beachten. Neben Formmängeln und Irrtümern geht es beim Kampf um das Erbe immer häufiger um die Testierfähigkeit. Gerade bei Erblassern mit Demenzerkrankungen wie Alzheimer streiten die Angehörigen dann darum, ob im Zeitpunkt der Testamentserrichtung Testierfähigkeit gegeben ist.
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Dr. Cécile Walzer
Rechtsanwältin
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