Megalithgräber, Dolmen, Menhire und noch vieles mehr: Die norditalienische Region Valle d’Aosta ist um ein archäologisches Juwel reicher. Genauer genommen um eine ganze Schatztruhe an Juwelen – denn als etwas anderes kann das Megalith-Areal von Saint-Martin-de-Corléans wohl kaum bezeichnet werden. Wie im besten Lehrbuch der Geschichte gewähren die archäologischen Fundstücke dieser mehrschichtigen Ausgrabungsstätte Einblick in unterschiedliche Jahrtausende – vom Neolithikum bis zum Mittelalter. Seit dem 24. Juni 2016 ist der sensationelle Museumspark in der Regionalhauptstadt Aosta für Besucher geöffnet.
Die Entdeckung des Areals im Jahre 1969 geschah rein zufällig: Ein Bagger auf einer Baustelle im Westteil der Stadt stieß an einen großen Stein mit einer außergewöhnlichen, nahezu menschlichen Form – an eine anthropomorphe Stele. Der Fund brachte die Bauarbeiten unmittelbar zum erliegen und zog eine lange Serie archäologischer Grabungsarbeiten nach sich. Von der 18.000 qm großen Fläche, die auf diese Weise freigelegt wurde, sind heute rund 10.000 qm zu besichtigen – integriert in einen modernen und zukunftsweisenden Komplex, an dessen Rand sich die romanische Kirche Saint-Martin-de-Corléans als Namensgeberin erhebt. Sie wurde auf den Überresten römischer und gallischer Nekropolen erbaut.
In eine noch viel weiter entfernt liegende Vergangenheit geht es, wenn man die Eingangsrampe des Areals hinab läuft. Am Ende angelangt, befindet man sich etwa 6 m unter dem Straßenniveau in einer Art Mondlandschaft jenseits von Raum und Zeit, die von changierenden Lichtern erhellt wird. Die ältesten Funde hier unten belegen, dass das Areal ursprünglich wohl als ein Freiluft-Heiligtum für den Kult der Lebenden konzipiert worden war. Darauf lassen die außergewöhnlichen und einzigartigen Pflugspuren aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. schließen, auf denen menschliche Zähne als Weiheritual ausgesät wurden.
Die Brunnenheiligtümer aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. hatten eine ähnliche Funktion: Mühlsteine und Getreide auf ihrem Grund sollten die Götter der Unterwelt gütig stimmen und das Land fruchtbar machen. Eindrucksvoll sind auch die geometrisch angeordneten Pfostenlöcher im Boden, deren Pfähle nicht nur der Abgrenzung des Gebiets, sondern auch der Kommunikation mit dem Himmel dienten. Nach den Holzpfählen kamen im 3. Jahrtausend v. Chr. die anthropomorphen Steinstelen mit ihren geheimnisvollen Verzierungen, von denen eine eben vor mehr als 45 Jahren zufälligerweise gefunden wurde.
Während der Bronzezeit nahm das Gebiet schließlich Grabfunktionen an – es entwickelte sich zu einer privilegierten Nekropole mit monumentalen Gräbern unterschiedlicher megalithischer Art. Dabei wurden die Dolmen überwiegend aus den bereits vor Ort vorhandenen Stelen gebaut. Oftmals für die Bestattung mehrerer Personen gedacht, sind die stattlichen Gräber noch immer herausragende Zeugen einer weit entfernten Zeit. Die entsprechenden, multimedialen Erklärungen zu dem Gesehenen erhält der Besucher übrigens, wenn er von der Ausgrabungsstätte nahtlos in den Museumsbereich übergeht. Bereits einen Monat nach der Öffnung zeichnet sich dort ab, dass sich die eindrückliche Schädelsammlung einer ganz besonderen Beliebtheit erfreut…
Ansonsten ist davon auszugehen, dass sich das Megalith-Areal von Saint-Martin-de-Corléans in den nächsten Jahren auch als ein Studien- und Forschungszentrum zur alpinen Frühgeschichte etablieren wird – schließlich suchen die hiesigen, aus mehreren Jahrtausenden stammenden Ausstellungsstücke in dieser Vielfalt und Konzentration europaweit ihresgleichen. Das offizielle Portal des Aostatals www.lovevda.it bietet weitere Informationen rund um die neue Archäologie-Sensation in der Hauptstadt und hält darüber hinaus noch viele weitere Tipps zu Unterkünften, Ausflügen und Events in der schönen norditalienischen Alpenregion bereit.