Regenstauf, 24. Juni 2015: Politiker, Wirtschaftskammern und Bildungsexperten in der Region Regensburg warnen vor den dramatischen Folgen einer immer weiter zunehmenden Akademisierung. „Unsere Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschaftsstandort steht auf dem Spiel, wenn wir es nicht schaffen, die berufliche Bildung wieder gesellschaftlich aufzuwerten“, sagt Gottfried Steger, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Eckert Schulen. Die Zahlen sind dramatisch: Bis zum Jahr 2030 fehlen in der Region Regensburg nach aktuellen Prognosen des IHK-Fachkräftemonitors sechzehn Mal mehr beruflich Qualifizierte als Akademiker. Während der Engpass bei Studienabsolventen bei nur rund 1.000 liegt, steuert die Wirtschaft in der Region bei Technikern, Meistern und Facharbeitern auf eine Lücke von rund 29.000 Fachkräften zu.
Bayerns Bildungsstaatssekretär Bernd Sibler sagte bei der von der Jungen Union Regensburg-Land initiierten Gesprächsrunde, der bayerischen Politik sei diese Herausforderung bekannt. Er warb für eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bildungsinstitutionen, Unternehmen, Wirtschaftskammern und Politik, um das Image der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu stärken. Die bayerische Staatsregierung habe mit der Gleichstellung der Abschlüsse zum Staatlich geprüften Techniker, Meister und Bachelor bereits ein wichtiges politisches Signal gesetzt. „Berufliche und akademische Bildung sind gleichwertig“, sagt Sibler. Er und auch die Landtagsabgeordnete Sylvia Stierstorfer verwiesen bei der Diskussion in Regenstauf darauf, dass es gerade in vielen handwerklichen und technischen Berufen heute deutlich bessere Berufs- und Verdienstperspektiven gebe als bei vielen akademischen Karrierewegen. Sibler würdigte auch das Engagement der Eckert Schulen in diesem Bereich: „Ihr Name steht für Qualität“, sagte der aus Niederbayern stammende Staatssekretär. Deshalb sei er gern gekommen.
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Eckert Schulen nannte es dramatisch für die Gesellschaft, dass bis zu jeder vierte Student sein Studium abbricht und gleichzeitig viele Lehrstellen in der Region unbesetzt bleiben. „Die Zahl der Hochschulzugänge hat sich in Bayern in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt – kann es wirklich sein, dass sich die Begabungen unserer jungen Menschen so fundamental gewandelt haben?“, fragt Gottfried Steger. „Jeder braucht den richtigen Bildungsverlauf, der zu seinem Lebensweg und zu seinen Begabungen passt“, so Steger. Es müsse auch nicht jeder ein Meister oder ein Staatlich geprüfter Techniker werden. „Lebenslanges Lernen kann auch heißen, sich als Facharbeiter ganz gezielt punktuell in einer Software oder in Projekt- und Qualitätsmanagement weiterzubilden.“
Die Vertreter der Regensburger Wirtschaftskammern sehen in vielen Betrieben inzwischen ein wachsendes Bewusstsein, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren und auch die Gehaltslücke zwischen Akademikern und Meistern oder Technikern zu schließen. „Viele Betriebe erkennen, dass sie für beruflich qualifizierte Fachkräfte attraktiver werden müssen“, sagt Hans Schmidt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. Birgit Trummer, die bei der IHK Regensburg das Thema Fachkräftesicherung verantwortet, bestätigt das. Der Vizepräsident der Ostbayerischen Technischen Hochschule, Professor Dr. Wolfgang Bock, sieht insbesondere in der Durchlässigkeit der Bildungswege einen großen Gewinn.