Auf rege Resonanz stieß der vom österreichischen IT-Beratungshaus Phoron Consulting GmbH initiierte Praxistag für Unternehmen zum Thema „Erfolgreiche Einführung und Betrieb eines SAP-Systems in Brasilien“, der am 13. November in Köln stattfand. Zahlreiche mittelständische und große Unternehmen aus ganz Deutschland informierten sich über die regulatorischen, administrativen und kulturellen Herausforderungen bei der Einführung beziehungsweise Erweiterung des ERP-Systems im Rahmen ihrer Expansionspläne in dem südamerikanischen Land.
Bereits zum 7 Mal hatte Phoron interessierte Unternehmen aller Branchen zu der Informationsveranstaltung in die Domstadt eingeladen, um diese für die Besonderheiten und Herausforderungen der brasilianischen Steuergesetzgebung zu sensibilisieren. Gut 20 Teilnehmer aus unterschiedlichen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau, Dentaltechnik, Chemie und Lebensmittel erlebten einen abwechslungsreichen Vortragsreigen sowohl von Phoron-Experten als auch einem Referenzkunden. Dessen Repräsentant Konstantinos Giannakidis, war als Projektleiter des Tübinger Werkzeugspezialisten Walter AG für die Einführung des ERP-Systems von SAP am brasilianischen Standort Sorocaba in der Nähe von Sao Paulo verantwortlich. „Unser Ziel war es, so wenig länderspezifische Erweiterungen wie möglich zu haben, um die Integration der brasilianischen IT in die Konzernlandschaft zu gewährleisten“, so Giannakidis. Besonders herausfordernd sei neben sprachlichen und kulturellen Barrieren vor allen Dingen die exakte Abbildung der gesetzlichen Vorschriften in das System gewesen. „Unterschätzen Sie nicht den damit verbundenen zeitlichen und organisatorischen Aufwand“, mahnte Giannakidis die Teilnehmer.
Komplexes Steuersystem als Herausforderung
Im Rahmen der zweiten Präsentation skizzierten Jörg Gerdiken und Patrick Sternal von Phoron Brasilien die Herausforderungen der staatlichen, digitalen Kontrolle für Unternehmen. Dabei stellte Gerdiken zunächst den Kontrollansatz der brasilianischen Finanzbehörden dar und zeigte auf, dass dieser dem deutschen Modell „Vertrauen über Kontrolle“ diametral entgegengesetzt ist. Das führt in der Praxis dazu, dass eine Vielzahl von Steuerarten und Erhebungsformen existieren, die allesamt in einer ERP-Software abgebildet werden müssen. „Die brasilianische Regierung geht, was Steuern angeht, grundsätzlich erst einmal von Unterschlagung aus. Daher gibt es eine überbordende Anzahl von Kontrollmechanismen, die sich letzten Endes auch in einer hohen Komplexität bei der Dokumentation betrieblicher Prozesse niederschlagen“, so Gerdiken. Dies veranschaulichte sein Kollege Patrick Sternal im zweiten Teil des Vortrags, indem er einige Kennziffern zum brasilianischen Steuersystem präsentierte: Mehr als 390.000 Steuergesetze und Regelungen seit 1998, über 90 Steuer- und Abgabearten, 30 Änderungen der Steuergesetzgebung pro Tag. Zudem müssen Firmen pro Jahr über 1.900 Arbeitsstunden in die Erledigung der Steuerangelegenheiten stecken. Das ist gut zehn Mal so viel Zeitaufwand wie in Deutschland und bedeutet einen traurigen Weltrekord. Diese Zahlen machen deutlich, dass für die gesetzeskonforme Abwicklung der fiskalischen Modalitäten kompetenter Support notwendig ist, denn: „Im betrieblichen Alltag müssen die täglich auftretenden Änderungen lückenlos und effizient verarbeitet werden“, so Sternal.
Der Teufel steckt im Detail
Die mit dem Legal Reporting verbundenen Stolperfallen stellten schließlich Gernot Stöger-Knes und Birgit Beimborn-Becker in ihrem Vortrag dar. So sei die Abbildung von Standorten und Organisationseinheiten oder die Einpflegung von Stammdaten wie Materialien, Lieferanten und Kunden noch relativ einfach zu bewerkstelligen. Doch die gesetzlichen Anforderungen bei der Dokumentation von Warenbewegungen sowie die damit verbundenen steuerlichen Auswirkungen führten zu oft hochkomplexen Prozessketten. „Diese Prozesse müssen von Anfang an sauber in das System abgebildet werden. Denn ohne einen elektronisch von der Regierung validierten Lieferschein – die sogenannte Nota Fiscal – fährt in Brasilien kein LKW vom Hof“, erläutert Stöger-Knes die Bedeutung des Legal Reportings.
Lokale Anforderungen ernst nehmen
„Eine gute Ist-Analyse, die Einbindung lokaler Experten, eine ständige Marktbeobachtung und möglichst frühe und umfangreiche Testphasen vor dem Rollout des neuen ERP-Systems sind essenziell für den nachhaltigen Erfolg deutscher Unternehmen, die in Brasilien Fuß fassen wollen“, ergänzt Beimborn-Becker. Daher sei es zunächst wichtig, die Anforderungen des Landes ernst zu nehmen und sich auch mit den interkulturellen Anforderungen intensiv auseinanderzusetzen. Hierbei könnten Skype-Telefonate keine Besuche vor Ort ersetzen, und die Leiter eines solchen IT-Projektes sollten unbedingt internationale Erfahrung haben. „Der größte Fehler, den Unternehmen machen können, ist, die mit einem solchen Rollout verbundenen Herausforderungen zu unterschätzen. Denn das gefährdet den Zeitplan und führt zu erheblichem Mehraufwand“, so Beimborn-Beckers Erfahrung.
Von Anfang an verlässlichen Partner mit an Bord holen
Unternehmen, die nach Brasilien expandieren oder ihr dortiges ERP in die unternehmenseigene IT-Landschaft integrieren wollen, sind daher gut beraten, sich einen erfahrenen, verlässlichen und kompetenten Partner mit ins Boot zu holen. Dieser sollte sie nicht nur mit maßgeschneiderten Templates und nachhaltigem Support unterstützen, sondern auch über umfangreiche Projekterfahrung und interkulturelles Know-how in Brasilien verfügen.