Deutschland und die Kohle-Energiewende
Mit einem großen Nachbau des Schaufelrades eines Kohlebaggers demonstrierte die Umweltorganisation gegen die derzeitige Energiepolitik der Bundesregierung. Wie die sie auf das Dach der SPD-Parteizentrale gelangen konnte, blieb unklar, deutlich hingegen war die Botschaft. „Herr Gabriel, Kohle zerstört das Klima“, stand auf einem großen Banner geschrieben. Wenn es um das Thema Energiewende geht, herrscht in Deutschland Aufbrauchstimmung. Das Land fühlt sich wohl in der Rolle des Klassenprimus, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien geht. Nicht zuletzt bei der Festlegung der Klimaziele für die EU bis 2030 geht die Regierung davon aus, dass die Ziele bereits deutlich vorher erreicht werden – zumindest was den Anteil an erneuerbaren Energien angeht.
Allerdings spricht Greenpeace mit seiner Aktion einen Punkt an, der neben dem Energiewende-Hype gerne etwas ausgeblendet wird: Deutschland ist nach wie vor ein starker Kohle-Standort. Vergessen wird schnell, dass trotz dem rasanten Anstieg von und den Bemühungen um sauberen Strom im derzeitigen Versorgungssystem immer noch Kohle-Energie einen hohen Anteil ausmacht. Fast die Hälfte des in Deutschland verfügbaren Stroms stammt immer noch aus Kohlekraft. Vor allem Braunkohle erlebt derzeit sogar eine kleine Renaissance. 2013 wurden gewaltige 185 Millionen Tonnen gefördert (2007: 180 Millionen). Damit ist Deutschland mit Abstand globaler Spitzenreiter.(1)
Konfliktpunkt Kohle: Wirtschaftsstandort vs. Klimaziele
Aus Sicht der Umwelt kann man nur wünschen, dass weniger abgebaut wird, denn mehr Kohle bedeutet auch eine höhere Belastung durch das klimaschädigende Gas Kohlendioxid (CO2). Die Ziele der EU für 2020, den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 zu senken, kann Deutschland aller Voraussicht nach nicht erreichen.(2) Ein gegensätzliches Konfliktfeld liefern jedoch Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Wirtschaft. BDI-Geschäftsführer Markus Kerber warnt davor, dass Produktion und Arbeitsplätze verloren gehen könnten, sollten in Zukunft zu strenge Klima-Kriterien vereinbart werden.(3) Sicherlich sind die Arbeitnehmer des Energiesektors, die mit fossilen Energieträgern arbeiten, gefährdet, auch wenn in der mit der Energiewende verbundenen Sektoren neue Arbeitsplätze geschaffen werden.(4)
Kapazitätsmarkt und CO2-Zertifikate: Wirtschaftliche Interessen machen es der Kohle leicht
Der Staat möchte Kohle derweil auch weiterhin subventionieren. Sigmar Gabriel (SPD) schlug unlängst vor, sogenannte Kapazitätsmärkte einzuführen. Hierbei bekommen Betreiber konventioneller Kraftwerke nicht nur beim Verbrauch ihres Stroms eine Vergütung, sondern auch für das Bereithalten von Strom, wenn es in Zeiten hohen Bedarfs mit der Versorgung eng werden könnte. Grund dafür ist der immer größer werdende Anteil an erneuerbaren Energien, die zumeist vorrangig in das Stromnetz eingespeist werden. Dadurch werden alte Kraftwerke unrentabel. Kapazitätsmärkte würden den Betreibern mehr Geld zuspielen, auch wenn deren Strom gar nicht genutzt werden würde. Neben höheren Kosten für Verbraucher, werden dadurch CO2-Ziele schwerer zu erreichen sein.
Problematisch bleibt auch der Handel mit sind CO2-Zertifikaten. Diese werden an Unternehmen ausgegeben, um deren Emissionen zu regulieren. Jedes Unternehmen darf demnach nur das an CO2 verursachen, was es an Zertifikaten erworben hat. Derzeit liegt der Preis für eine Tonne des klimaschädlichen Gases bei knapp 6 Euro (Stand: November). Ein effizienter Klimaschutz würde laut Greenpeace allerdings erst ab 40 bis 50 Euro funktionieren.(5) Neben einem Mindestpreis für Zertifikate wird auch über die Stilllegung von einigen Zertifikaten diskutiert.(6) Wenn weniger Zertifikate ausgegeben werden, würden dadurch die weitaus effizienteren Gaskraftwerke profitieren, die beim Ausstoß von Emissionen deutlich besser abschneiden als ihre Kohlebrüder.
Ortschaften verschwinden für Braunkohle
Im Osten und im Rheinland wird aktuell noch lange fleißig Braunkohle gebaggert. RWE Power im Westen und Vattenfall im Osten haben dabei noch langfristige Genehmigungen zum Abbau bis 2030 oder sogar 2045. Da sich die riesigen Kohlebagger unaufhaltsam durch die Landschaften arbeiten, müssen viele Ortschaften den gefräßigen Maschinen zwangsläufig weichen. Die Frage, die sich stellt: Können die Entscheidungsträger es immer noch mit guten Argumenten vertreten, dass einige ihre Heimat verlassen müssen, während doch überall der politische Tenor herrscht, dass ein rascher Wandel im Energiesektor angestrebt wird? Auch wenn Proteste der einzelnen betroffenen Ortschaften verständlicherweise laut werden hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine Enteignung zulässig sei, wenn sie dem Gemeinwohl diene.(7)
An diesem Dilemma gibt es Zweifel von allen Seiten. Die Landesregierung in NRW, in Person von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), hat entschieden, dass der Ausbau von Garzweiler II zumindest verkleinert wird und erntet hierfür sogar Protest aus den eigenen Reihen. Was nicht verwundert, gilt die SPD in NRW traditionell eher als eine Kumpel-Kohle-Partei.(8) Greenpeace und BUND bereiten weitere Klagen vor. Selbst die Betreiber der Tagebauten, Vattenfall und RWE, zweifeln an der Zukunftsfähigkeit ihrer Braunkohlekraftwerke . Erst kürzlich hat Vattenfall erklärt, dass es den Tagebau im Osten verkaufen möchte .
Klimaziele sind keine Utopie
Auch wenn vorrangig Wirtschaft, Politik und Fachleute um die richtige Umsetzung der Energiewende streiten, liegt die Verantwortung nicht nur bei diesen allein. Auch jeder einzelne Verbraucher kann sein Verhalten unter ökologischen Gesichtspunkten hinterfragen und falls möglich verbessern. Es muss an vielen Stellschrauben gedreht werden, damit die Energiewende reibungslos klappen kann. Solange gilt auch in Zukunft: Wie immer spielt Geld eine Rolle, wenn es um die Kohle geht.
Quellen:
(1)Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
(2)Handelsblatt
(3)BDI.eu
(4)Bundesregierung.de
(5)Greenpeace
(6)Neues Deutschland
(7)Bundesverfassungsgericht
(8)Welt
Sonstige Quellen:
DW.de
Tagesspiegel
Handelsblatt
Süddeutsche