Herr Gebhardt, Sie sind seit 9 Jahren im Bereich der Krankenhaushygiene mit digitalen Lösungen tätig. War die Corona Pandemie in diesem Bereich ein Game Changer?
Gebhardt: Ja und nein. Zunächst hat die Krankenhaushygiene viel mehr Beachtung erlangt. Die Krankenhausleitungen haben sich regelmäßig mit den Hygiene-Verantwortlichen ausgetauscht, es wurden Maßnahmen ergriffen, viel mehr darüber geredet und nachgedacht.
Und warum, nein?
Gebhardt: Inzwischen sind Bewusstsein und Ausgaben für Hygiene wieder auf den Status quo antes zurückgefallen. Es gibt sogar eine Untersuchung, die belegt, dass sich während der Pandemie das stark belastete Krankenhauspersonal mit Mundschutz und Handschuhen in erster Linie selbst geschützt hat und sich die Verbreitung gefährlicher Keime unter Patienten eher noch erhöht hatte.
Woran machen Sie fest, dass multiresistente Erreger in Krankenhäusern heute nicht effizienter bekämpft werden als vor der Pandemie?
Gebhardt: Wir operieren heute weiterhin mit denselben Zahlen von vor Corona. Es gibt jährlich bis zu 600.000 Infektionen mit den sogenannten Krankenhaus-Keimen und bis zu 15.000 Todesfälle.
Warum wird das Problem seitens der Krankenhäuser nicht stärker angegangenen, etwa mit digitalen Lösungen, wie sie GWA Hygiene anbietet?
Gebhardt: Die Krankenhäuser sind in einer finanziell schwierigen Situation. Viele haben die Patientenzahlen von Vor-Corona noch nicht erreicht. Momentan warten die Krankenhäuser erst einmal ab, was die Reformen von Karl Lauterbach ergeben, bevor sie investieren.
Noch unter Jens Spahn wurde das sogenannte Krankenhauszukunftsgesetz verabschiedet, das 4,3 Milliarden Euro von Bund und Ländern zur Verfügung stellt, um deutsche Krankenhäuser zu modernisieren.
Gebhardt: Das Gesetz ist der richtige Ansatz. Krankenhäuser sind ja Länderaufgabe. Der Bund gab und gibt Gelder, um die Infrastruktur der Kliniken zu entwickeln, etwa die Einführung von WLAN, um dann digitale Innovationen wie beispielsweise Patientenportale zu ermöglichen. Dieses Gesetz muss weitergedacht werden und benötigt insbesondere eine Anschlussfinanzierung. Krankenhäuser scheuen die Investitionen in Software, da diese ja laufende Kosten verursachen, die sie dann selbst tragen müssen.
Warum wird verbesserte Hygiene mit digitalen Lösungen in Deutschland eher stiefmütterlich gehandhabt?
Gebhardt: Es fehlt die Lobby für diese oft lebensrettende Aufgabe. Handhygiene in Krankenhäusern ist noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Die Niederlande sind hier schon viel weiter. Hier werden meist neu ankommende Patienten gescreent, ob sie Keime ins Krankenhaus tragen.
Was bedeutet Ihre Analyse für GWA Hygiene?
Gebhardt: Wir haben mit dem Kauf von Hypros unser Geschäftsmodell erweitert. Hypros, eine digitale Plattform, die zusammen mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) entwickelt wurde, konzentriert sich mit ihren Innovationen darauf, die Arbeit des Klinikpersonals zu erleichtern. Wir wissen, dass es oft die Arbeitsüberlastung ist, die die nötige Zeit für eine angemessene Handhygiene raubt.