1.) Entspricht die Medikamentenversorgung den ärztlichen Anordnungen?
2.) Entspricht die Bedarfsmedikation den ärztlichen Anordnungen?
3.) Ist der Umgang mit Medikamenten sachgerecht?
„Diese drei nichtssagenden Fragen sind schnell mit ‚ja‘ beantwortet und das Thema damit abgehakt – die Fragen gehen jedoch nicht weit genug“, warnt Angelika Schulten. „Die daraus entstehende gute Einrichtungs-Bewertung lässt medizinische Laien glauben, dass ihre pflegebedürftigen Angehörigen gut versorgt werden. Dass aber diese Einrichtungsbewertung aufgrund unspezifischer Fragen entstanden ist, können Außenstehende nicht wissen – was fatale Folgen haben kann, denn die aktuell praktizierte Medikamentengabe stellt ein erhebliches Risiko dar. Einerseits gelten Medikamente zu Recht als eine der wirksamsten Therapieformen, die wir haben, andererseits kann ihre Anwendung und Einnahme risikoreich und gefährlich sein, wenn sie nicht verantwortungsvoll gehandhabt wird.“
Neun statt drei bis vier Einnahmezeiten täglich zwingend erforderlich
Bestes Beispiel, um die Brisanz dieses umfassenden Themas zu verdeutlichen, ist die in deutschen Pflegeeinrichtungen praktizierte Medikamentengabe. Sie erfolgt drei bis vier Mal am Tag: Morgens, mittags, abends und zur Nacht. So weit, so schlecht, denn diese drei bis vier Einnahmezeitpunkte sind nicht nur zu wenig, sondern können längerfristig sogar zum Tod führen. Warum? Weil diese Praxis seit 20 Jahren veraltet ist und sie nicht an die heutigen Medikamente angepasst wurde. Tabletten sind mittlerweile häufig mit sehr empfindlichen Überzügen ausgestattet, die im Magen z.B. nicht mit Nahrung in Berührung kommen dürfen. Demnach müssen diese Arzneimittel zu ganz bestimmten Zeiten eingenommen werden, um die benötigte Wirkung entfalten zu können. Wird diese Zeit nicht beachtet, kann es zu einer Über- beziehungsweise Unterdosierung kommen oder die Medikamente wirken überhaupt nicht. Beispielsweise müssen Schilddrüsenpatienten das Hormon Thyroxin zwingend eine Stunde vor dem Frühstück auf nüchternen Magen einnehmen, denn nur dann kann es wirken. Bei der Einnahme von Thyroxin muss der Patient darüber hinaus in den zwei Stunden nach der Einnahme zwingend auf Kaffee und Milchprodukte verzichten, weil sonst das Medikament seine Wirkung verliert. Deshalb ist nicht nur die Einnahme vor einer Mahlzeit, zu einer Mahlzeit und nach einer Mahlzeit äußerst wichtig, sondern beispielsweise auch die Beachtung wirkungsverändernder Nahrungsmittel. Das verdeutlicht die Sensibilität der Medikamentengabe und erhöht die Anzahl der möglichen Einnahmezeiten von drei bis vier auf neun. Diese Tatsache ist bekannt, eine Anpassung daran hat jedoch in den Pflegeeinrichtungen noch nicht stattgefunden.
Wie dringend diese Anpassung allerdings erforderlich ist, zeigt eine Recherche in einem von Frau Schulten betreuten Heim. Hier mussten 126, also rund 37 Prozent, der täglich erforderlichen 339 Medikamentengaben eine Stunde vor dem Essen erfolgen. „Je länger deutsche Pflegeeinrichtungen lediglich drei bis vier Mal täglich Medikamente verabreichen, desto öfter werden wir von schwerwiegenden Komplikationen hören und desto mehr Menschen werden unnötig früh einen Angehörigen verlieren“, fasst die Apothekerin zusammen.
Erschreckende Zahlen
Laut Pressemitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 28.11.2014 führen Schätzungen zufolge unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch vermeidbare Medikationsfehler in Deutschland zu circa 500.000 Krankenhausnotaufnahmen pro Jahr. 4.300 Menschen sterben laut NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens jährlich in Nordrhein-Westfalen an einem falschen Medikamentenmix, 50.000 sind es deutschlandweit.
Pflegebedürftige: Die sensibelste Patientengruppe überhaupt
Da vor allem pflegebedürftige Menschen häufig an mehreren chronischen Erkrankungen leiden, müssen sie nicht selten viele Arzneimittel einnehmen und sind dadurch besonders oft von den Auswirkungen von Medikamentenfehlern betroffen: Egal, ob durch Nicht-Einhaltung ihres individuellen Medikationsplans oder durch Interaktionen der Medikamente untereinander. Leider sind sie jedoch auch oft nicht mehr in der Lage, selbstständig über ihren Gesundheitszustand zu berichten. Laut einer Studie des Universitätsklinikums Tübingen zum Thema Medikamenteninteraktionen aus dem Jahr 2003 kommt es bei 56 Prozent der über 70-Jährigen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen, davon 22 Prozent wegen Arzneimittel-Wechselwirkungen. „Das bedeutet, 20 Prozent der über 70-jährigen Deutschen kommen aufgrund von Arzneimittelfehlern ins Krankenhaus und dafür sind sie ganz bestimmt nicht immer selbst verantwortlich. Die Dunkelziffer derjenigen, die aufgrund von falscher Medikamentengabe in Pflegeeinrichtungen dahinsiechen oder pseudo-dement sind und dadurch nicht mehr am Leben teilnehmen, ist riesig. Dort werden jedoch lediglich Symptome des Dahinsiechens wie beispielsweise das Wundliegen behandelt“, fasst Angelika Schulten zusammen. „Das Thema Medikationsfehler ist in der Fachwelt seit langem als potenzielle Schwachstelle bekannt. Von der Politik und den Einrichtungen wird es jedoch verharmlost. Das kommt einer fahrlässigen Körperverletzung in multipler Form gleich.“
Zielführende Fragen
Doch welche Fragen sollten gestellt werden, um eine korrekt durchgeführte Medikamentengabe in Pflegeeinrichtungen sicherzustellen? Nach Meinung von Angelika Schulten sind es diese drei:
1.) Wie viele Notfalleinweisungen ins Krankenhaus ereignen sich pro Jahr in Ihrer Einrichtung bezogen auf die Bewohnerzahl?
2.) Findet die Medikamentengabe drei bis vier Mal am Tag statt oder praktizieren Sie beispielsweise auch die Einnahme vor dem Essen?
3.) Wann werden die Medikamente ihrer Originalverpackung entnommen? Bereits sieben Tage oder erst 24 Stunden vor der tatsächlichen Einnahme? Werden die ausgepackten, das heißt ausgeblisterten, Medikamente zusammen mit anderen Tabletten in so genannten Dosetten aufbewahrt?
So einfach und banal diese Fragen auch klingen, sie fordern von den Einrichtungen eine konkrete Aussage zum Thema Medikamentengabe und können dadurch langfristig über Leben und Tod entscheiden.
Über Angelika Schulten und die Dorf-Apotheke:
1974 gründete Angelika Schulten, Fachapothekerin für Offizin-Pharmazie, die Dorf-Apotheke in Dortmund-Huckarde. Sie ist Weiterbildungsstätte für Offizin-Pharmazie und bereits seit ihrer Gründung ein Ausbildungsbetrieb. 2002 etablierte die Dorf-Apotheke ein Qualitätsmanagement-System nach DIN EN ISO 9001:2008. Seit 2013 ist sie darüber hinaus, als eine der ersten Apotheken in Deutschland, Arzneimitteltherapiesicherheit(AMTS)-zertifiziert. Angelika Schulten selbst wurde 2011 mit dem vom Wissenschaftlichen Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG) und der Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) herausgegebenen bundesweiten Präventionspreis für die „Beste Idee aus der Apotheke“ ausgezeichnet. Als Fachapothekerin für Offizin-Pharmazie hat sich Angelika Schulten jahrzehntelang mit dem Problem der richtigen Einnahme/Anwendung von Arzneimitteln beschäftigt. Es war und ist ihr ein großes Anliegen, dass vor allem ihre chronisch kranken Patienten zu Hause die richtigen Medikamente in der richtigen Dosierung und zur richtigen Zeit einnehmen, beziehungsweise anwenden. Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.dorf-apotheke-dortmund.de/
Weitere Informationen und Kontakt:
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Friederike Pähler
Tel.: 0234-95064199
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