1. Feststellung: Ergänzende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Wegen des klageabweisenden Inhalts des Urteils vom 20.01.2015 war von Bankenvertretern nach Verkündung des Urteils unter Bezugnahme auf die am 20.01.2015 herausgegebene Pressemittelung eine Abkehr von der bisherigen Swap-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 22.03.2011 suggeriert worden. Das trifft nicht zu. Bereits aus dem Klammerzusatz zum Leitsatz des Urteils ergibt sich, dass es sich um eine Ergänzung und damit um eine Weiterentwicklung, nicht um eine Abkehr von den Feststellungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.03.2011 handelt.
2. Feststellung: Hohe Anforderungen an die Beratung von Swap-Verträgen
Zwischen Bank und Kunde kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beratungsvertrag zustande, so auch bei der Beratung und Empfehlung von Swap-Produkten. Daraus folgt die Pflicht der Bank zur sog. anleger- und objektgerechten Beratung. Die konkrete Ausgestaltung dieser Beratungspflicht erfolgt immer einzelfallbezogen. Grundsätzlich sind – wie bei dem Spread-Ladder-Swap aus dem Urteil vom 22.03.2011 – hohe Anforderungen an die Aufklärung zu stellen. Nach den tatrichterlichen Feststellungen der Instanzgerichte (Landgericht Nürnberg und Oberlandesgericht Nürnberg), an die der Bundesgerichtshof grundsätzlich gebunden ist, hatte die beratende Sparkasse im jetzt entschiedenen Einzelfall ihre Pflichten erfüllt.
3. Feststellung: Eigenständige Pflicht zur Aufklärung über Interessenkonflikte
Der Bundesgerichtshof zitiert umfassend aus seinem Urteil vom 22.03.2011 und stellt insofern den Inhalt dieses Urteils nicht infrage. Vielmehr wiederholt der Bundesgerichtshof damit, dass sich eine Bank, die einerseits Vertragspartnerin des Swap-Vertrags mit dem Kunden und andererseits zugleich dessen Beraterin ist, in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt befindet. Über diesen Konflikt hat sie durch Offenbarung des anfänglichen negativen Marktwerts aufzuklären. Diese eigenständige Aufklärungspflicht wird durch die ausführliche Bezugnahme auf das Urteil vom 22.03.2011 also manifestiert (und nicht etwa aufgehoben, wie nach der Pressemitteilung vom 20.01.2015 gemutmaßt wurde). Eine auf diesen Grundsatz basierende Pflichtverletzung wurde vom Bundesgerichtshof allein deshalb nicht angenommen, weil dem Urteil vom 20.01.2015 eine andere Fallgestaltung zugrunde lag.
4. Feststellung: Unzureichender Sachvortrag in den ersten beiden Instanzen
Das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Nürnberg) hatte in seinem Urteil Feststellungen getroffen, die vom Bundesgerichtshof einerseits nur eingeschränkt überprüft werden können. Andererseits waren vom Kläger im Revisionsverfahren Fehler gar nicht erst aufgezeigt worden. Die grundsätzlich bestehende bessere Erkenntnismöglichkeiten der beratenden Sparkasse zu Entwicklung der dem Cross-Currency-Swap zugrunde gelegten Währungen (Wissensvorsprung) war vom Kläger in den Vorinstanzen nicht dargestellt worden. Auch weitere Beratungspflichtverletzungen sind nicht vorgebracht worden. Besonders auffällig ist, dass eine aus zahlreichen Analysen von anderen Cross-Currency-Swaps mittlerweile allgemein bekannte Unausgewogenheit des Chance-/Risikoprofils vom Kläger nicht einmal konkret dargestellt und deswegen auch nicht darüber entschieden wurde.
5. Feststellung: Aufklärungspflicht über den negativen Marktwert
In Ergänzung zum Urteil vom 22.03.2011 (siehe 1. Feststellung), statuiert der Bundesgerichtshof nun, dass neben der eigenständigen Pflicht zur Offenlegung des anfänglichen negativen Marktwerts bei bestehenden schwerwiegenden Interessenkonflikten (siehe 3. Feststellung) im Rahmen der sog. objektgerechten Beratung nicht per se über einen negativen Marktwert zu informieren ist. Da der Kläger nicht substantiiert behauptet hatte, dass die Gewinnchancen und damit die Werthaltigkeit des Cross-Currency-Swaps durch übermäßige Kosten- und Gewinnanteile beeinträchtigt worden war, konnte auch insofern keine Feststellungen dazu vom Bundesgerichtshof getroffen werden. Auch bei Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aufklärung und Beratung beim Vertrieb von Terminoptionen ließe sich nicht grundsätzlich eine Aufklärungspflicht über den negativen Marktwert ableiten, sondern nur dann, wenn erhobene Aufschläge geeignet wären, den Gewinn zu einem erheblichen Anteil aufzuzehren und die Gewinnchancen damit erheblich zu beeinträchtigen. Dies ist der Maßstab, an dem eine Aufklärungspflicht ansetzt.
Fazit
Die Pflicht zur Aufklärung über schwerwiegende Interessenkonflikte durch Offenlegung eines anfänglichen negativen Marktwerts (allerdings nur bei entsprechender Fallgestaltung) bleibt vom Bundesgerichtshof unangetastet. Werden durch die Einstrukturierung von übermäßigen Kosten- und Gewinnbestandteilen die Gewinnchancen und damit die Werthaltigkeit des Swaps beeinträchtigt, ist dies vom Kunden substantiiert vorzutragen (unabhängig von einem schwerwiegenden Interessenkonflikt). Dann wird im Rahmen der objektgerechten Beratung zu prüfen sein, ob über den daraus resultierenden anfänglichen negativen Marktwert aufgeklärt werden muss.
Ab welcher Höhe übermäßige Kosten- und Gewinnbestandteile die Werthaltigkeit eines Swaps beeinträchtigen, bleibt der weiteren Entwicklung der Swap-Rechtsprechung vorbehalten.
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Dr. Jochen Weck
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