Karrieren sind heute geprägt von Wandel – von häufigen Jobwechseln und persönlichen Ambitionen. Die Komplexität in der beruflichen Laufbahn nimmt überdies zu, einhergehend mit Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die von den Betroffenen auch als wünschenswert angesehen werden. – So lautet die weit verbreitete, vor allem durch den amerikanischen Diskurs geprägte Meinung zum Thema Karriere. Empirische Studien zeigen jedoch ein anderes Bild. Als primärer Karrierewunsch in Europa beispielsweise hat sich in den vergangenen 25 Jahren relativ stabil die traditionelle Karriere in der Welt der (Groß-) Organisationen gehalten.
Managementkarrieren von vier Generationen
Das ist das Ergebnis einer von wenigen groß angelegten Studien über Karriereverläufe für den europäischen Raum. Im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Vienna Career Panel Project (www.vicapp.at) haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Wirtschaftsuniversität Wien seit mehr als zehn Jahren Karrierewege ihrer Absolventinnen und Absolventen untersucht. In einer Längsschnittstudie wurden die Karrieren der jeweiligen Studienabschluss-Jahrgänge von 1970, 1990, 2000 und 2010 verglichen. Nach der Verlängerung des Projekts ViCaPP hat ein Team rund um Projektleiter Wolfgang Mayrhofer drei weitere Jahre die Verläufe von Managementkarrieren erforscht. Dabei haben sich die Forscherinnen und Forscher auf die Frage konzentriert, ob das Phänomen des Wandels in Karrierekontexten wirklich existiert, und wenn ja, welchen Einfluss und welche Bedeutung verschiedene Elemente des Wandels auf Karriereverläufe haben. Die FWF-Fortsetzungsstudie unter dem Titel "Change in managerial careers? A longitudinal analysis" liefert damit neue empirisch belegte Einsichten über den viel zitierten Wandel in der Berufswelt für Europa. Dazu wurden erstmals auch Daten aus dem sozio-ökonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung herangezogen.
Grenzenlose Freiheit?
Die Ergebnisse zeigen laut Karriereforscher Mayrhofer ein differenziertes Bild. "Auf der einen Seite sehen wir durchaus zunehmende Veränderungen in Form von Jobwechsel innerhalb der ersten zehn Karrierejahre bei den jeweils Jüngeren. Das äußert sich übrigens nicht in einem steigenden Einkommen", ergänzt der Experte. – Denn wer mehr Lohn auf seinem Gehaltskonto finden will, braucht vor allem eines: Erfahrung. Die Karrierejahre haben einen wesentlich stärkeren Einfluss auf Einkommenszuwächse als ein Jobwechsel. – Dem Bild der sogenannten "neuen" Karrieren entsprechen laut Studie auch die Tatsachen, dass stabile Arbeitsverhältnisse und Tätigkeitsfelder zurückgehen und das Weiterkommen auf der Karriereleiter kein Selbstläufer ist.
Auf der anderen Seite sinken die wahrgenommenen Jobalternativen, das heißt, was aus Sicht der Betroffenen an alternativen Jobs und Karriereoptionen verfügbar ist. Darüber hinaus streben gerade jüngere Generationen die erwähnte traditionelle Karriere in einer Organisation an. "Damit ist zumindest die zunehmende 'psychologische Grenzenlosigkeit' infrage gestellt, die von nicht-existenten inneren Grenzen in Sachen Karriereentwicklung ausgeht", so Mayrhofer.
Starke Bindungen
Neben den quantitativen Erhebungen von den insgesamt 1.517 Personen der unterschiedlichen Generationengruppen haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Wirtschaftsuniversität Wien in 42 Interviews den Fokus auf das Zusammenspiel von Persönlichkeit und äußeren Rahmenbedingungen gerichtet. Dabei wurden verschiedene Arbeitsverhältnisse (Freiberufler, Selbstständige oder Angestellte) berücksichtigt. Eine gemeinsam mit der Universität Hamburg im Rahmen des Projekts durchgeführte Analyse zeigt, dass die Bindung zwischen Organisation und Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer, unabhängig vom Arbeitsvertrag, nach wie vor hoch ist. Organisationen kaufen zwar nicht mehr Leistungsbereitschaft und Weisungsunterworfenheit, dafür aber aktuell erbrachte Leistung als erkennbares, marktfähiges und sozial bewertetes Produkt. Der transaktionale Leistungsvertrag ersetzt also den mehr relational gestützten Arbeitsvertrag.
Ergebnis vieler Faktoren
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Karriere nicht, wie oft suggeriert wird, vor allem ein Produkt persönlichen Ehrgeizes und der Umsetzung individueller Möglichkeiten ist. Vielmehr hängt sie von vielen Faktoren ab: wie zum Beispiel von Qualifikationen, Netzwerken oder monetären Mitteln als Basis für persönliche Qualifizierungsmaßnahmen oder der Überbrückung von Zeiten der Nicht-Beschäftigung auf der Seite des Individuums. Auf der Seite der Unternehmen sind es Rahmenbedingungen und organisationale Grenzen, die wiederum dem globalen Wechselspiel von Angebot und Nachfrage unterliegen.
Zur Person
Der Betriebswirt Wolfgang Mayrhofer leitet das Interdisziplinäre Institut für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management (ivm) an der Wirtschaftsuniversität Wien. Mayrhofer forscht zu den Schwerpunkten internationale Personal- und Unternehmensführung, Karriere- und Laufbahnforschung, Neuere Systemtheorie und Betriebswirtschaftslehre.
Publikationen:
Schneidhofer, T., Latzke, M., & Mayrhofer, W. 2015. Careers as Sites of Power: A Relational Understanding of Careers Based on Bourdieu's Cornerstones. In A. Tatli & M. Özbilgin & M. Karatas-Özkan (Eds.), Pierre Bourdieu, Organisation, and Management: 19-36. New York, London: Routledge
Kattenbach, R., Schneidhofer, T. M., Lücke, J., Latzke, M., Loacker, B., Schramm, F., & Mayrhofer, W. 2014. A quarter of a century of job transitions in Germany. Journal of Vocational Behavior, 84: 49-58
Mayrhofer, W. 2010. Die Analyse von Karrieren in Organisationen. In S. Titscher & W. Mayrhofer & M. Meyer (Eds.), Praxis der Organisationsanalyse: 279-301. Wien et al.: facultas WUV UTB
Bild und Text ab Montag, 10. August 2015, ab 10.00 Uhr MESZ verfügbar unter:
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Wissenschaftlicher Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mayrhofer
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