Sowohl in der Laborumgebung als auch für den Rollout soll die Breitband-Powerline-Technik (BPL) als Baustein im Kommunikationsmix für Smart Grids der e-netz Südhessen in drei Szenarien getestet werden. Seit März 2015 wird die Umsetzung der Anforderungen der neuen Messsysteme auf BPL bewertet. Die Datenübertragung in Echtzeit wird auch für den Einsatz und die Integration der in großer Zahl vorhandenen regenerativen Erzeugungsanlagen erprobt.
Pragmatische und bezahlbare Energiewende
Reinhard Kalisch, Geschäftsführer der e-netz Südhessen, sieht durch den Einsatz von BPL die große Chance, die bestehende Kommunikationsinfrastruktur des Prozessleitnetzes für die neuen Anforderungen der intelligenten Messsysteme effizient und kostenoptimiert erweitern zu können. „Jede neue Anwendung im Prozessleitnetz erfordert zusätzliche Leitungen oder Bandbreiten. BPL dagegen ist für dienstbezogene Funktionen unabhängig von der genutzten Transporttechnologie konzipiert“, so Sven Hanemann, Projektleiter des Pilotprojektes der e-netz Südhessen. Ein entscheidender Vorteil sei, dass Aufwendungen für das notwendige Kommunikationsnetz innerhalb des Konzerns blieben und nicht über angemietete Kommunikationsverbindungen an externe Anbieter fließen. Im Pilotprojekt erfolgt die Integration und Betreuung durch die Fachexperten des Schwesterunternehmens HSE Medianet.
Roger Schneider, PPC-Projektmanager für die Region Darmstadt, betont die Zweckdienlichkeit der BPL-Technik: „Das breite Frequenzband bietet nicht nur maximale Robustheit und Redundanz, sondern ermöglicht auch weitere Dienste. Das sorgt für Flexibilität und Zukunftssicherheit.“ Zur Prozessoptimierung werden im Realbetrieb in drei verschiedenen Szenarien BPL-Infrastrukturen und entsprechende Zähler im Netz der e-netz Südhessen installiert. Ebenfalls steht in den nächsten Monaten der Einsatz des Kommunikationsnetzes für zusätzliche Zwecke im Fokus, z.B. zur Erfassung der Spannungsqualität.
Die Zukunft testen
Im ersten Szenario wird in der Niederspannungsebene des Verteilnetzes der e-netz Südhessen der Einsatz von BPL als Kommunikationsinfrastruktur für die neuen Messsysteme (Smart Meter) in ausgewählten Test-Trafobereichen erprobt und die Auswirkung von Schalt-Maßnahmen und Netzrückwirkungen bewertet.
Auch im zweiten Szenario steht die Niederspannungsebene (Haushaltsebene) im Vordergrund. In diesem Szenario werden Trafobereiche mit Kundengruppen für eventuelle zusätzliche Dienstleistungen, wie z.B. Bereiche mit hohem Gewerbeanteil, vielen Wohnwirtschaftsobjekten, zahlreichen Solaranlagen oder mit Kunden, deren Energieverbrauch 6000 kWh/a übersteigt, evaluiert. So eignet sich die Gemeinde Birkenau im Kreis Bergstraße, wo die Sonne traditionell im Vordergrund steht, besonders gut: Das Testgebiet im „Dorf der Sonnenuhren“ – wie sich die Gemeinde nennt – verfügt über eine sehr hohe Dichte von Photovoltaikanlagen.
Das dritte Szenario, das sich auf der Mittelspannungsebene abspielt, fokussiert auf redundante Anbindungsmöglichkeiten und effiziente Erweiterungen des Prozessleitnetzes der e-netz durch den Einsatz von BPL-Infrastrukturen über Mittelspannungs-BPL. Kommunikationsringe verbinden die Trafostationen und die Umspannanlagen.
Die Zukunft ist breitbandig
Zum Einsatz kommen BPL-Modems der vierten Generation (G4). Sie sind konform zum internationalen BPL-Standard IEEE 1901 und erbringen eine nochmal signifikant gesteigerte Leistung in Bezug auf Bandbreite und Signalstärke. Die TCP/IP-Infrastruktur garantiert niedrige Latenzzeiten und auch die Möglichkeit der kommunikativen Vernetzung zukünftiger zusätzlicher Applikationen ist gegeben. Folglich überzeugt BPL neben e-netz Südhessen auch zahlreiche Verbände und Hochschulen. So empfiehlt der VDE im Positionspapier „Telekommunikation im Smart Grid (3/2015)“ die BPL-Lösung mit LTE-Backbone als „beste Lösung mit optimaler Zukunftsfähigkeit.“
In der Vergangenheit wurden Anlagen und Systeme der e-netz Südhessen in die bestehende Prozessleitnetzinfrastruktur integriert. Jedoch erfordern die Zunahme regenerativer Anlagen und die Anforderungen an ein reaktives und intelligentes Versorgungsnetz eine Anpassung der Kommunikations-Infrastruktur des Prozessleitnetzes, da die dezentrale und volatile Erzeugung mit dem Verbrauch in Einklang gebracht werden muss. Zudem setzt eine wirtschaftlich tragbare Einführung der neuen Messsysteme (Smart Meter) für die Umsetzung der Anforderungen der Energiewende eine breitbandige, bidirektionale Datenübertragung voraus.