Felix Christian Matthes vom Öko-Institut konstatierte, dass sich das EU ETS in einer tiefen Krise befinde. Es gebe einen Überschuss von rund 2 Milliarden Zertifikaten. Dafür gebe es zwei Gründe: Zum einen die Wirtschaftskrise, die zu einem Überschuss von 500 Millionen Zertifikaten geführt habe. Der größere Teil von 1,5 Milliarden Zertifikaten sei darauf zurückzuführen, dass eine große Zahl von Zertifikaten aus dem sogenannten Clean Developement Mechanism zugeflossen seien. Industrieländer können mit diesen CDM-Zertifikaten Klimaschutzprojekte in weniger entwickelten Ländern unterstützen und bekommen diese gutgeschrieben. Den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bezeichnete er als nicht ursächlich für den Preisverfall der CO2-Zertifikate.
Die Wirtschaft wünscht sich hinsichtlich des ETS stabile Rahmenbedingungen, erklärte Michael Niese von der WirtschaftsVereinigung Metalle. Er bezeichnete die Erfahrungen seiner Branche mit dem ETS als „nicht unbedingt positiv“ und kritisierte dabei „überlappende Klimaschutzziele mit überlappenden Instrumenten“. Das sogenannte carbon leakage, die Verlagerung von Produktionsstandorten aufgrund hoher Kosten für CO2-Zertifikate, sei Realität, erklärte er. Hinsichtlich des geforderten backloadings, der Rücknahme von Zertifikaten, sagte er: „Die Analyse ist richtig, die Medizin ist falsch.“
Eine zu hohe Ausstattung mit Emissionsrechten ist nach Auffassung von Professor Joachim Weimann nicht das Problem des EU ETS. Er sieht vielmehr ein „in hohem Maße ineffizientes und schädliches Nebeneinander von Emissionshandel und dem Erneuerbaren-Energien Gesetz (EEG)“. Er wies darauf hin, dass die Menge der Emissionsrechte eine politische Entscheidung sei, um ein ökologisches Ziel zu erreichen. Das sogenannte „cap“ sei eine Mengenrestriktion, so dass es keine Überausstattung geben könne.
Für die Organisation „Brot für die Welt“ formulierte Thomas Hirsch fünf Fragen, darunter die, ob der EU ETS seine Funktion als Lenkungsinstrument ambitionierter europäischer Klimaziele erfülle und eine glaubwürdige Antwort auf die Anforderung an Europa sei, das 2-Grad-Ziel zu erfüllen. Er stellte fest, dass der EU ETS in seiner jetzigen Form „kein gutes Beispiel zur Nachahmung sei“. Der Angebotsüberschuss zeige, dass Investoren sich an kurzfristigen und nicht an langfristigen Zielen orientierten. Der Preisverfall an Zertifikaten habe zudem erhebliche Mindereinnahmen beim Energie- und Klimafonds (EKF) zur Folge gehabt. Jutta Kill vom World Rainforest Movement erläuterte, dass sich der EU ETS nicht zu einem globalen Handelssystem entwickelt habe und sieht als Gründe, die fehlende Flexibilität, den Emissionshandel an veränderte Bedingungen anzupassen sowie strukturelle Probleme. Sie warnte, dass für Verbesserungen beim Klimaschutz auf europäischer Ebene die Zeit knapp werde. Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 und eine neue Europäische Kommission ließen kaum neue Impulse auf europäischer Ebene erwarten. Daher bedürfe es nationaler Alternativen. Als „dramatisch“ bezeichnete Tina Löffelsend den Zustand des EU ETS. Er werde seiner Aufgabe nicht gerecht und sei damit momentan „Ausdruck der europäischen Klimapolitik insgesamt“. Mit Blick auf die Industrie sagte sie, dass es im Moment nicht sehr wahrscheinlich sei, dass die Industrie durch den EU ETS große Mehrkosten habe. „Es zahlen nur kleine Stromverbraucher für CO2-Ziele, sagte Löffelsend. Gleichzeitig kritisierte sie, dass Deutschland nicht mehr die Rolle als Vorreiter des Klimaschutzes spiele: „Es ist dramatisch, dass die Stimme des größten Mitgliedslandes verstummt ist.“