Erhalten Menschen die Diagnose „Demenz“ oder stellen sich erste kognitive Defizite ein, übernehmen oftmals Angehörige die Aufgaben, die den Betroffenen selbst nicht mehr gut gelingen. „Genau das fördert den Prozess des geistigen Abbaus zusätzlich“, rät daher Anne Wirsing, Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e.V.), von diesem weit verbreiteten Verhalten ab. Zwei Studien geben ihr recht: Alltagspraktische und kognitive Fähigkeiten von Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz lassen sich für einen bestimmten Zeitraum stabil halten. Die Studien fanden mit Teilnehmer:innen der Gruppentherapie MAKS® statt.
In Alters- oder Pflegeheimen gibt es ebenso wie in Tageseinrichtungen zur Auflockerung des Alltags Angebote wie Gymnastik, Raten und Rätseln, Zeitungsrunde und Ähnliches. Diese Programmpunkte aus kognitiver und motorischer Betätigung sind meist über die ganze Woche verteilt; es findet somit an mehreren Tagen etwas statt. Was einigen Menschen eine Abwechslung bringt, kann für Menschen mit Demenz den Nachteil haben, dass sie das Praktizierte oder Trainierte bis zur nächsten Stunde wieder vergessen haben. Oder nicht optimal einsetzen können. Einen anderen Ansatz verfolgt das Therapiekonzept MAKS®, eine Gruppentherapie für Menschen mit beginnender bis mittelschwerer Demenz. Die Grundidee: alle Elemente bündeln, zusätzlich soziale und alltagspraktische Fähigkeiten trainieren und alles aufeinander aufbauen. Von dieser, dem Abbau entgegensteuernden Vorgehensweise profitieren alle – auch die Fitten.
Soziale Einstimmung frischt Emotionen bei Menschen mit Demenz auf
Das zweistündige Programm, das wenigstens einmal die Woche stattfinden soll, um bei Menschen mit beginnenden kognitiven Defiziten oder Demenz die gewünschte Wirkung zu erzielen, besteht aus vier Modulen zum Fördern der motorischen, alltagspraktischen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Zunächst geht es darum, ein Thema zu finden, das sich wie ein roter Faden durch sämtliche Module des jeweiligen Treffens zieht. Bei den ersten Treffen schlägt die Ergotherapeutin etwas vor; mit zunehmendem Vertrauen und wachsender Verbindung untereinander entwickeln die Teilnehmenden selbst Ideen. Im ersten Modul, der sozialen Einstimmung, gibt die Ergotherapeutin den teilnehmenden Menschen mit Demenz Impulse, um ihre Emotionen und Erinnerungen anzuregen. Dabei werden eigene biografische Erlebnisse der Teilnehmenden wachgerufen, es entstehen Bilder und Wünsche in ihren Köpfen. „Jedes Thema lässt sich bespielen“, sagt Anne Wirsing und nennt exemplarisch unterschiedliche Bereiche, die sie mit ihren Gruppen bearbeitet wie ‚Glück‘, ‚Zeit‘, ‚Liebe‘ oder ‚Freundschaft‘. „Das Spannende ist“, sagt die Ergotherapeutin, „dass die Teilnehmenden beim Hinführen zum Thema ins Nachdenken und Philosophieren kommen oder beginnen, sich eine Meinung zu bilden und diese zu äußern“. Wer würde das von Menschen mit einer Demenz vermuten? Befassen sich die Gruppenteilnehmenden etwa mit dem Thema ‚Zeit‘, ist ein zentraler Aspekt der Alltag im Heim. Eine gute Gelegenheit, sich etwas einfallen zu lassen, um die Tage mit mehr erfüllenden Begegnungen und sinnvollen Betätigungen zu verschönern. Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt des Programms für Menschen mit Demenz: Wer gemeinsame Interessen hat oder miteinander Neues probieren möchte, findet so leichter zusammen – Kontakte knüpfen funktioniert in diesem zunehmend vertrauten Umfeld wie von selbst. Etwas, das ansonsten in Heimen oder generell unter alten Menschen kaum passiert. „Das Thema ‚Freundschaft‘ wird also nicht nur besprochen, es wird für manche sogar zur Realität“, bestätigt die Ergotherapeutin.