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DVE Deutscher Verband Ergotherapie e.V.

Institution

Sehnenscheidenentzündung: Digitalisierung fördert oft Probleme


20. Juni 2017, 08:18
PRESSEMITTEILUNG/PRESS RELEASE

Der Wandel von Arbeitswelt und Freizeit, insbesondere durch die Digitalisierung, verändert vieles. Und hat Auswirkungen, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. „Vermeintliche Erleichterungen oder Verbesserungen bewirken oft das Gegenteil, führen immer häufiger zu RSI (Repetitive Strain Injury), landläufig auch als Sehnenscheidenentzündung bekannt.“, berichtet Sabine Haas-Schinzel, Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) aus ihrer Praxis.

Sehnenscheidenentzündung: Digitalisierung fördert oft Probleme

Den Analysen der Krankenkassen zufolge sind Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes Spitzenreiter in Hinblick auf Arbeitsausfälle. Überlastungssyndrome wie Sehnenscheidenentzündung gehören in diese Kategorie. „Etwa 20% der Patienten, die in meine Praxis kommen, haben eine Sehnenscheidenentzündung.“, bestätigt die Ergotherapeutin Sabine Haas-Schinzel die hohe Zahl Betroffener.

Schmerzen ernst nehmen, Arbeitsverhalten berücksichtigen
Meist sind es anatomische Besonderheiten, eine Engpassstelle oder ein stärker ausgebildeter knöcherner Vorsprung, die schuld daran sind, dass es durch Belastungen wie wiederholte, andauernde Bewegungen zu stärkeren mechanischen Reibungen kommt. Und in der Folge zu einer sogenannten Sehnenscheidenentzündung. Daher trifft der Begriff RSI, Repetitive Strain Injury, besser, was man hierzulande als Sehnenscheidenentzündung bezeichnet. Sich ständig wiederholende oder dauerhaft gleichförmige Bewegungen am Aarbeitsplatz wie beispielsweise an der PC-Tastatur oder der Maus, am Smartphone, bei hochspezialisierten Arbeitsprozessen beispielsweise in der Fabrik oder an der Werkbank, bei bestimmten Arbeiten in Garten und Haushalt oder in der Freizeit führen bei einer Vielzahl von Menschen zu Schmerzen und Problemen und zu der Diagnose ‚Sehnenscheidenentzündung‘. „Das Fatale“, erklärt die Ergotherapeutin, „ist, dass Sehnen sehr dehnbar sind. Alarmierende Schmerzen treten daher erst auf, wenn bereits etwa 70% der betroffenen Strukturen geschädigt sind.“. Bei Schmerzen, die auf eine solche Überlastung zurückzuführen sein könnten, ist Eile geboten, sprich umgehende, professionelle Hilfe nötig.

Chronifizierung von Sehnenscheidenentzündung vermeiden
Nicht Wenige, die zu Ergotherapeuten wie Sabine Haas-Schinzel kommen, staunen. Denn hier passiert mehr, als das Problem auf die Symptomatik der Sehnenscheidenentzündung herunter zu brechen. Als Erstes werden die Patienten beraten und informiert, Lösungsmöglichkeiten erarbeitet und Ziele definiert. Und analysiert: Was genau hat die Probleme ausgelöst, was kann der Patient ändern und – ein ganz wichtiges Ziel: Wie lässt sich eine mögliche Chronifizierung, die bereits nach zwei oder drei Wochen eintritt, vermeiden? Es geht also um Nachhaltigkeit. Daher befassen sich Ergotherapeuten über das Behandeln der aktuellen Folgen der Sehnenscheidenentzündung hinaus mit weiteren Aspekten. Zum Beispiel mit Aufklärung. Und damit, mit den Patienten Ideen zu entwickeln, um das tägliche „wie“ zu modifizieren und anzupassen. „Rahmenbedingungen, insbesondere bei der Arbeit, sind nicht endlos zu verändern.“, zeigt sich die Ergotherapeutin realistisch. Doch das Wissen der Patienten entscheidet über den weiteren Verlauf der Erkrankung und beeinflusst ihr künftiges Verhalten – auch am Arbeitsplatz. Ergotherapeuten finden immer individuell passende, praktikable Lösungen und haben auch eine Reihe von passenden Tipps auf Lager, um statische und tonische, also reglose aber angespannte Haltungen auszumerzen. „Ein Arbeitstag hat viele Stunden.“, sagt Haas-Schinzel und empfiehlt unter anderem, möglichst häufig wechselnde Haltungen einzunehmen, beispielsweise die Hände beim Lesen am Computer immer weg von Maus und Tastatur. Oder so oft wie möglich aufzustehen und sich zu bewegen. Jede Bewegung ist hilfreich, denn dabei kommt man in eine andere Körperhaltung, belastet dort, wo vorher Entlastung war und umgekehrt. So bekommen Körperregionen eine Pause, bestenfalls sogar in eine dynamische Pause.

Ergotherapeuten schulen und coachen
Gleichzeitig arbeitet die Ergotherapeutin Haas-Schinzel an der Kräftigung. Das heißt in der Ergotherapie, dass die körpernahen Strukturen und nicht etwa das Handgelenk oder der Schulterbereich trainiert werden. Zunächst lernen die Patienten, die Verstoffwechslung innerhalb der Sehne anzuregen. Denn Sehnen werden nicht durch Durchblutung, sondern mittels Diffusion ernährt. Und die findet nur statt, wenn die Sehne geschmeidig in der Sehnenscheide gleitet. Entsprechende Übungen lernen die Patienten ebenso wie Haltungsübungen oder einfache Bodenübungen für Bauch- und Rückenmuskulatur. Die können, ja sollen sie jederzeit am Arbeitsplatz oder wo immer sie sind, machen. Sofern das nötig ist, bereiten Ergotherapeuten ihre Patienten auf die Gespräche im Unternehmen vor. Oder begleiten sie bei Bedarf zu einem Termin vor Ort. Beim und mit dem Arbeitgeber. Denn auch der hat ein Interesse daran, wenig krankheitsbedingte Arbeitsausfälle sondern lieber dauerhaft gesunde Mitarbeiter zu beschäftigen. Und so können alle Beteiligten oft die praktikabelsten Lösungen gemeinsam finden und dafür sorgen, dass sie im Umfeld gut umzusetzen sind und bestenfalls eine erneute Sehnenscheidenentzündung verhindert werden kann.

Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Ergotherapie und Therapeutensuche.
Vorschlag Bildunterschriften:
1 Besonders häufig: Sehnenscheidenentzündungen im Bereich von Händen und Armen. Tipp von Ergotherapeuten: Tätigkeiten abwechseln, immer wieder andere Muskelbereiche be- und dadurch die angestrengten Körperteile entlasten. (© DVE/ Janine Metzger)
2 Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz lassen sich nicht beliebig verändern, das Verständnis schon. Ergotherapeuten binden daher das Umfeld ein, sprechen wenn nötig auch mit dem Vorgesetzten. Denn der hat ein Interesse an gesunden Mitarbeitern. (© DVE/ Janine Metzger)

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