Die Posaune hatte ihre Geburtsstunde vermutlich im 15. Jahrhundert. Das Blasinstrument hat sich über die Jahrhunderte sowohl äußerlich als auch in seinem Klang deutlich verändert. Die frühe Posaune oder Renaissance-Posaune zeichnet sich vor allem durch eine leichte Konstruktion, einen hellen Klang und ihre Flexibilität des Tons aus. Posaunen mischen sich übrigens auch gut mit Stimmen.
Wie mag es nun geklungen haben, wenn die "Ensemble Canzonen" für Posaune der berühmten venezianischen Komponisten Andrea und Giovanni Gabrieli aufgeführt wurden? Diese Frage beschäftigt Musikerinnen und Musiker ebenso wie Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen bis heute. Während sich die historische Musikpraxis bisher darauf konzentriert hat, Instrumente in Bezug auf ihre Größe und Form möglichst originalgetreu nachzubilden, werden inzwischen auch andere, komplexere Faktoren – wie etwa das Material – herangezogen, um dem historischen Original so nah wie möglich zu kommen.
Material hat wesentlichen Einfluss
Mit der Frage, wie der Klang der Posaune von den Eigenschaften und Verarbeitungstechniken des Materials beeinflusst wird, hat sich das Institut für Wiener Klangstil (IWK) in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF intensiv beschäftigt. Unter der Leitung von Wilfried Kausel hat Instrumentenbauer und Musiker Hannes Vereecke zunächst alte Posaunen in diversen Sammlungen und Museen aufgesucht und dokumentiert, um sie anschließend mit materialwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Im Akustiklabor des IWK an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien konnten Kausel und sein Team schließlich nachweisen, dass die Vibrationen des Blechs einen (hörbaren) Einfluss auf den Klang haben. "Die herrschende Meinung war lange Zeit, dass nur die Form des Instruments und nicht die Beschaffenheit des Materials wesentlich ist", erklärt der ausgebildete Elektrotechniker und Musiker Kausel. "Jetzt haben wir Belege dafür, was Musiker und Instrumentenmacher immer behauptet haben: dass es einen meist hörbaren und für den Spieler fühlbaren Unterschied macht, ob es ein dick- oder dünnwandiges Instrument ist, ob das Blech gehämmert ist, wie bei den historischen Instrumenten, oder ob es nach modernen Methoden gerollt, gezogen beziehungsweise wie bei der Posaune gedrückt wird", sagt Kausel.
Messung akustischer Eigenschaften
Um sich dem Klang der alten Musik weiter anzunähern, haben die Wissenschafter in Wien zunächst die Eigenschaften verschiedener Materialproben moderner und historischer Bleche ermittelt und anschließend im Labor den Einfluss von Wandschwingungen auf den Klang demonstriert. Dazu wurde ein Horn während des Spielens mithilfe eines "künstlichen Bläsers" äußerlich mit Sand gedämpft, während sein Klang aufgezeichnet und analysiert wurde. "Wir haben also die Schwingungen des Blechs während des Spielens sukzessive gedämpft", erklärt Kausel die Methode. Dabei konnten die Forscher beobachten, dass sich das Klangspektrum verändert. Die Wandschwingungen beeinflussten nachweislich den gespielten Klang. Als nächsten Schritt versuchten die Akustikforscherinnen und -forscher herauszufinden, welche Arten von Vibrationen für diese Klangunterschiede maßgeblich sind. Dabei haben sie entdeckt, dass eine Längsschwingung den stärksten Einfluss auf den Klang der Posaune hat, da der Schallbecher in der Länge oszilliert. Je größer das Instrument ist, umso stärker ist diese Schwingung. Die Berechnungen dieser Schwingungen passten mit den vorangegangenen Messungen zusammen. Der wichtigste Mechanismus, der den Klang beeinflusst, war damit identifiziert und kann nun in das Wissen um Nachbauten historischer Instrumente einfließen.
Anleitung zum Nachbau
Im Zusammenspiel von Musikforschung, Instrumentenbau und Materialwissenschaft hat das Institut für Wiener Klangstil in dem FWF-Projekt sowohl die Geschichte der alten Blechblasinstrumente dokumentiert als auch eine Anleitung zu historischen Verarbeitungstechniken, Angaben zu Schwingungs- und Resonanzeigenschaften und der Rekonstruktion des Klangs der Renaissance-Posaune erstellt. Hannes Vereecke selbst hat die Instrumente mit möglichst originalem Material und Herstellungsverfahren nachgebaut und damit ein Ensemble ausgestattet. Inzwischen gibt der Belgier sein Wissen an den Meisterklassen der Oscar-Walcker-Schule in Ludwigsburg weiter. Dort werden Holz- und Metallblasinstrumentenbauer und -bauerinnen aus aller Welt ausgebildet.
Renommiertes Forschungsinstitut
Das Institut für Wiener Klangstil unter der Leitung von Wilfried Kausel ist international eine der bedeutendsten Forschungsinstitutionen für musikalische Akustik. Mit innovativen Methoden wie bildgebender Lasertechnik, Superzeitlupe und Sensor-Aufnahmen liefern die Forscherinnen und Forscher den Musikerinnen und Musikern wichtiges Feedback zum Beispiel über Bewegungen, Intonation oder Griffe und arbeiten gemeinsam mit ihnen am perfekten "Wiener Klang".
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Wilfried Kausel
Institut für Wiener Klangstil
Universität f. Musik und
darstellende Kunst Wien
Anton-von-Webern-Platz 1
1030 Wien
T +43 /1 / 71155-4301
E @email
W www.mdw.ac.at
Der Wissenschaftsfonds FWF:
Marc Seumenicht
Haus der Forschung
Sensengasse 1
1090 Wien
T +43 / 1 / 505 67 40 - 8111
E @email
W http://www.fwf.ac.at
Aussendung:
PR&D – Public Relations für Forschung & Bildung
Mariannengasse 8
1090 Wien
T +43 / 1 / 505 70 44
E @email
W http://www.prd.at