»Freiheit Flammen Schrift« – unter diesem Motto spürt das diesjährige IMPULS-Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt den aktuellen und auch kontrovers diskutierten Begriffen von Freiheit, Toleranz und Offenheit nach. Spielerisch, sinfonisch und unkonventionell präsentiert sich die Magdeburgische Philharmonie in ihrem Programm, vor dem Hintergrund der Frage nach der Beziehung von Musik und Politik. So dürfen sich die Zuschauer auf einen abwechslungsreichen musikalischen Dialog im Abschlusskonzert des diesjährigen Impuls-Festivals freuen.
Gastdirigent Titus Engel wählte mit Schostakowitschs selten aufgeführter 12. Sinfonie für klassisch-romantisches Sinfonieorchester einen umstrittenen Klassiker des 20. Jahrhunderts für den zweiten Teil des Konzertes aus. Ob und inwiefern die »Revolutionssinfonie« nur ein opportunistisches Auftragswerk eines regimetreuen sowjetischen Komponisten ist oder aber auch ganz unpolitisch verstanden werden kann, wird als Frage in den Konzertraum gestellt. Der junge litauische Komponist Gediminas Gelgotas, großgeworden nach dem Ende der UdSSR, variiert in seiner schwungvollen und gewitzt daherkommenden Komposition »Never Ignore the Cosmic Ocean« die klassisch-sinfonische Besetzung: Er verbindet Sprache und Musik und fügt in den Orchestersatz sowohl gesungene als auch gesprochene Textpassagen zu existentiellen Themen ein. Kraftvoll erklingt im Anschluss das Werk »Hálatt-Hissar« von Samir Odeh-Tamimi. Der palästinensisch-israelische Komponist schuf auf Basis des Gedichtes »Belagerungszustand« von Mahmoud Darwish, einem literarischen Protest gegen die israelische Belagerung des Westjordanlandes, ein mächtiges Orchesterwerk für 31 Instrumentalisten und Sprecher. Das Werk erklingt nach dem Vortrag des Textes auf Arabisch und Deutsch. Der mit vielen Preisen und Stipendien ausgezeichnete Komponist versteht Kunst im öffentlichen Raum stets als politisch – vor diesem Hintergrund kann dieses Stück zu einem kontroversen Hörerlebnis werden. Während Odeh-Tamimi gänzlich auf hohe Streicher verzichtet, komponierte Sidney Corbett seine 3. Sinfonie »Breathing the water« für Streichorchester, Solo-Sopran, Solo-Trompete und Solo-Kontrabass. In diesem exquisiten Werk verbindet der US-amerikanische Künstler britisch-amerikanische und arabische Lyrik. Ausgehend von seinen jüdisch-christlichen Wurzeln verarbeitet er in seiner Sinfonie Exilgedichte von Denis Levertov und Amal Al-Jubouri. Corbetts Sinfonie ist übrigens ein Vorgeschmack auf die die Kammeroper »Die Andere«, die er auf ein Libretto von Christoph Hein eigens für das Theater Magdeburg komponiert hat: Die Uraufführung findet im März 2016 statt.
Kurzum, dieses Sinfoniekonzert präsentiert nicht nur einen schillernden Festivalabschluss, sondern auch eine musikalische Erörterung der Verbindung aus Musik und Politik. Der Gastdirigent Titus Engel unterstreicht in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit zeitgenössischer Musik, da sie »Ausdruck unser gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft ist«, sowie die Notwendigkeit eines interkulturellen Dialogs. Der studierte Musikwissenschaftler und Philosoph Engel begeisterte das Publikum und die Fachpresse bereits vor einem Jahr in der Magdeburger Aufführung von Richard Wagners »Lohengrin«.
»3. Sinfoniekonzert«
Gediminas Gelgotas
»Never Ignore the Cosmic Ocean« für Sinfonieorchester
Samir Odeh-Tamimi
»Hálatt-Hissar« für Sprecher und 31 Instrumentalisten
Sidney Corbett
Sinfonie Nr. 3 »Breathing the Water« für Sopran, Trompete, Kontrabass und Streichorchester
Dmitri Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 12 d-Moll op. 112 »Das Jahr 1917«
Titus Engel: Dirigent
Dalia Simashka: Violine
Wahid Nader und Susi Wirth: Sprecher
Irma Mihelič: Sopran
Markus Finkler: Trompete
Wolfram Wessel: Kontrabass
Rundfunk-Jugendchor Wernigerode
Magdeburgische Philharmonie
Donnerstag, 19. 11. 2015, 19.30 Uhr
Freitag, 20. 11. 2015, 19.30 Uhr
im Opernhaus
Einführung: 18.45 Uhr im Café Rossini
Karten: 29 € bis 14 € / erm. 18 € bis 9 €.
Reservierung und Kauf an der Theaterkasse: 0391 – 40 490 490 oder online: www.theater-magdeburg.de