Wer einen Städtetrip nach Ferrara unternimmt, stellt rasch fest, dass die geschichtsträchtige Stadt in der Emilia-Romagna von Sehenswertem geradezu überquillt. Die strategisch wichtige Lage am größten Strom Italiens, dem Po, hat Architektur und Künste hier erblühen lassen, und so findet sich der Besucher wieder zwischen prächtigen Baudenkmälern, Palazzi, und bedeutenden Museen wie z.B. dem weltberühmten Diamantenpalast, dem Palazzo dei Diamanti, und eben auch dem MEIS, dem Nationalmuseum für italienisches Judentum und für die Shoa.
Ferrara hat einen UNESCO- Weltkulturtitel als prachtvolle Renaissance-Stadt und zugleich einen malerischen intakten mittelalterlichen Kern. Die Ferrareser haben mit ihrer reichhaltigen kulinarischen Tradition eine hervorragende Gastroszene entwickelt und pflegen ein besonderes Lebensgefühl. Dazu gehört die Besonderheit, als ausgesprochen fahrradaffin zu gelten. Tatsächlich sieht man Radler fast immer und überall, und die Stadt heißt auch Fahrradstadt Ferrara. Der Besucher kann es den Einheimischen getrost gleich tun. Auf zahlreichen Rundtouren zu Fuß oder per Rad lässt sich Ferrara erkunden, und so trifft man auch auf die Spuren eines sehr alten jüdischen Lebens. Schon in Sichtweite der Kathedrale ist es mit Händen zu greifen: Am Eingang zur Via Mazzini weist noch heute eine Inschrift darauf hin, dass sich hier eines der fünf Tore zum Ghetto befand.
Das Museum MEIS für italienisches Judentum und für die Shoa bietet mit einer aktuellen Ausstellung eine neue Perspektive auf das jüdische Leben Italiens. „Il Rinascimento parla ebraico“, die Renaissance spricht hebräisch, heißt die Ausstellung, die im MEIS vom 12. April bis zum 15. September zu sehen ist. Gezeigt werden Werke von u.a. Andrea Mantegna, Vittore Carpaccio, Ludovico Mazzolino und Sassetta. Bedeutende Renaissancewerke, die auf das Judentum Bezug nehmen wie auch auf die hebräische Sprache, aber auch sakrale Kunstwerke wie die Thorarolle von Biella, die seit ca. 1250 genutzt wird, werden für das Publikum in einem Rahmen präsentiert, der das Spannungsfeld beleuchtet, in dem Juden und Mehrheitsgesellschaft zueinander standen.
Das 2011 eröffnete Museum MEIS ist in einem ständigen Prozess der Transformation. Spannende bauliche Veränderungen gehen Hand in Hand mit einer Fortführung der Erzählung über das jüdische Leben in Italien. Entwickelte sich aus einer früheren Ausstellung über „die ersten tausend Jahre, von den Römern bis ins Mittelalter“ ein Teil der heutigen Dauerausstellung, führt das Museum mit der aktuellen Ausstellung über die Renaissance, kuratiert von Giulio Busi und Silvana Greco die Erzählung nun fort; gilt doch die Renaissance als eine für die Identitätsbildung Italiens wichtige Epoche, in der zugleich viele Juden z.B. als Ärzte, Händler oder Geldverleiher eine exponierte Stellung innehatten.
Doch noch einmal zurück in die Via Mazzini. Das Ghetto von Ferrara wurde 1627 in einem mittelalterlichen Quartier eingerichtet. Die Via Mazzini, in der sich früher die meisten jüdischen Geschäfte befanden, hat noch immer die alte Struktur erhalten. Hier befindet sich auch die Synagoge. Als Herzstück des Ghettos hat sich die Via Mazzini mit den umliegenden Gassen längst zu einer Art Freiluftmuseum entwickelt. Die alten Häuser, oft aus Backstein, vermitteln mit ihren Inschriften und Verzierungen noch heute einen lebendigen Eindruck vom einstigen Leben. Hier befindet sich auch die frühere Jüdische Schule, in der der berühmte Schriftsteller und Sohn der Stadt, Giorgio Bassani, zeitweise unterrichtete. Sein Grab auf dem sehenswerten, grünen Jüdischen Friedhof, der etwas nördlich an der alten Stadtmauer liegt, zieht Liebhaber seiner Literatur aus aller Welt an.
Weitere Informationen unter www.visitferrara.eu und www.meisweb.it