Schon wieder eine neue Studie, dass im Schnitt 70% aller Veränderungsprojekte scheitern – meist am Widerstand der Betroffenen oder am mangelnden Commitment der Führungskräfte.
Warum sind Veränderungen und Change-Projekte in Unternehmen eigentlich so unbeliebt?
Warum ist es so eine Herausforderung, Akzeptanz für ein anstehendes Projekt zu erzeugen?
Lässt man äußere Einflussgrößen wie die (oft mangelhafte) Art der Kommunikation, Organisation und Einbindung der Betroffenen einmal außen vor und betrachtet nur die Mitarbeiter1 als Menschen, kann man vor allem zwei Gründe für den Widerstand gegen Veränderungen finden:
1. Das Neue macht Angst, Gewohntes wird bevorzugt.
2. Es wird kein Anlass, keine Notwendigkeit für eine Veränderung gesehen.
Menschen unterscheiden sich im Hinblick darauf, wie sehr sie eher Beständigkeit und Gewohnheit oder aber neue Erfahrungen, Veränderungen und Abenteuer suchen. Dies zeigt sich schon bei einem Blick auf ihren Sommerurlaub. Während die einen seit Jahren in die selbe Urlaubsregion, nicht selten die selbe Hotelanlage fahren, scheint anderen allein der Gedanke daran Panik und Beklemmung zu bereiten.
Nun kann man sicher argumentieren, dass vielleicht gerade Menschen mit einem abwechslungsreichen, turbulenten Alltag im Urlaub eher die Kontinuität suchen und es sei ihnen herzlich vergönnt.
Ähnliches findet sich jedoch auch in Unternehmen. Während einige Mitarbeiter ihre Routinen zelebrieren und es genießen, schon so lange in einer Abteilung zu sein, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens sie kennen, scheinen andere sich bereits nach wenigen Monaten oder Jahren auf derselben Stelle zu langweilen. Während sich einige begeistert in immer neue Projekte stürzen, ist allein der Gedanke an eine neue Benutzeroberfläche des Computersystems für andere ein Stressfaktor.
Egal ob im Urlaub oder im Beruf, hinter dieser unterschiedlichen Einstellung gegenüber Neuem steht besonders im beruflichen Umfeld häufig eines: Der grundsätzliche Glaube daran, mit neuen Situationen und Anforderungen zurecht zu kommen – oder eben nicht. Was hier so lapidar klingt, wird für viele Menschen in Veränderungsprojekten zum existenziellen Stress, gegen den sie sich mit Händen und Füßen wehren. Es braucht Zeit und Gewöhnung, um das Neue irgendwann zu akzeptieren. Betrachtet man nun die Veränderungsdichte und -geschwindigkeit vieler Unternehmen wird deutlich: Es gibt keine Zeit, keine Gewöhnungsphasen mehr. Oftmals ist die eine Veränderung noch nicht richtig abgeschlossen, wenn die nächste schon ansteht.
Nun könnte man sagen, dass diese menschlichen Unterschiede vor allem mit der Qualität der (Aus-) Bildung und Qualifikation oder mit dem Alter zusammenhängen. Tun sie nicht, bzw. viel weniger stark als man erwarten würde. Vielmehr scheint es sich dabei um ein grundsätzliches Zutrauen zu handeln, dass man den neuen Situationen und Anforderungen die da so kommen mögen, gewachsen ist. Warum denn schließlich auch nicht? Oder?
Ein zweiter menschlicher Widerstandsfaktor ist der scheinbar „fehlende Anlass“. Unabhängig davon, ob Menschen neue Situationen und Erfahrungen eher suchen oder vermeiden stellt sich nämlich für alle Betroffenen, von denen Kooperation und Akzeptanz erwartet wird, die gleiche Frage: Warum das alles? Und warum schon wieder?
Verantwortliche stehen vor der Herausforderung, die Notwendigkeit des Neuen zu vermitteln. Und zwar nicht nur durch formale Information, sondern auf eine Art und Weise, die die Betroffenen tatsächlich anspricht und ihnen das Gefühl vermittelt: „Es ist zwar nicht schön, aber es macht schon Sinn.“
Hier spielt sicherlich die Kommunikation durch Verantwortliche und Führungskräfte (siehe Teil 3 dieser Reihe, erscheint am 01.09.15) eine entscheidende Rolle.
In der Psychologie gibt es eine pauschale Faustformel, die da lautet: Verständnis fördert Akzeptanz. Wie alle pauschalen Aussagen vereinfacht natürlich auch diese die Realität, enthält jedoch einen wahren Kern: Die Tatsache, dass jemand tatsächlich nachvollziehen und verstehen kann, warum eine Maßnahme getroffen wird, bedeutet zwar noch nicht, dass er davon begeistert ist, fördert aber seine Tendenz, das Neue (zumindest zähneknirschend) zu akzeptieren. Kurz: Die Akzeptanz und somit Umsetzung einer Veränderung steht und fällt auch damit, ob Verantwortliche in der Lage sind (oder oftmals sich auch nur die Mühe machen) tatsächlich ernsthaft, empfängergerecht und auf Augenhöhe die Notwendigkeit des Projektes zu vermitteln.
Will man die magere Erfolgsquote von durchschnittlich 30% erfolgreich umgesetzter Veränderungsprojekte also erhöhen, kommt man an den Mitarbeitern nicht vorbei. Und neben vielen anderen Einflussgrößen, wie Change-Kompetenzen, dem Commitment der Führungs-kräfte oder Vorerfahrungen mit anderen Projekten, ist es manchmal auch die grundsätzliche Einstellung der Mitarbeitenden gegenüber Veränderungen, die einen Projekterfolg maßgeblich beeinflusst. Es macht also Sinn sich zu fragen:
1. Wer sind diese Menschen, die die Veränderung mit tragen und letztlich
umsetzen müssen? Sind sie eher offen oder skeptisch bezüglich neuer Situationen? Und jetzt, wo ich das weiß, wie kann ich das Projekt so gestalten, dass ich auch die Gewohnheitstiere, Skeptiker und Ängstlichen mitnehme?
2. Sind aus Perspektive der Betroffenen tatsächlich die Notwendigkeit bzw. der Sinn und der erhoffte Mehrwert sichtbar und nachvollziehbar? Wenn nein, wie können wir dies vermitteln? Wenn ja, wie können wir das nutzen?
Beide Aspekte zusammen bilden die „grundsätzliche Veränderungsbereitschaft“ der Mitarbeiter. Es macht Sinn, sie zu kennen, um das Projekt- und Change-Management darauf abstimmen zu können, damit was entsteht? Akzeptanz und ein Gemeinschaftsgefühl im Projekt!
Zum Hintergrund: In dieser Artikel-Reihe stellen wir regelmäßig einen Faktor von Change.QTM vor und erläutern seinen Einfluss auf den Erfolg von Veränderungsprojekten.
Mit Change.Q™ erfassen wir 10 organisationale Faktoren, die unabhängig vom Projektinhalt Einfluss auf den Erfolg und die tatsächliche Umsetzung von (Veränderungs-)Projekten nehmen. Am Ende steht eine Übersicht darüber, welche Faktoren Projektverantwortliche in ihrem Unternehmen im Blick haben sollten, um Veränderungen erfolgreich und nachhaltig umzusetzen und welche sie als Ressourcen in anstehenden Projekte nutzen können.
1 Wenn in diesem Artikel von „Mitarbeitern“ die Rede ist, so geschieht dies aus Gründen der Lesbarkeit. Selbstverständlich sind weibliche wie männliche MitarbeiterInnen gleichermaßen angesprochen.