Die Europäische Kommission hat die Altstoff Recycling Austria AG („ARA“) von ihrer vorläufigen Auffassung unterrichtet, dass das Unternehmen seine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Organisation der Entsorgung von Verpackungsabfällen (vor allem aus Kunststoff und Metall) in Österreich missbraucht und Konkurrenten daran gehindert haben könnte, auf diesem Markt Fuß zu fassen oder zu expandieren. Ein solches Verhalten würde, falls es im weiteren Verfahrensverlauf nachgewiesen würde, Wettbewerb und Verbraucher schädigen und gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis des Verfahrens nicht vor.
Nach EU-Recht sind Hersteller verpflichtet, bei der Nutzung ihrer Produkte entstehenden Verpackungsabfall zurückzunehmen. Sie können aber spezialisierte Unternehmen (auch "Sammel- und Verwertungssysteme") gegen eine Lizenzgebühr mit der Sammlung und dem Recycling dieser Abfälle beauftragen. Seit seiner Gründung 1993 war ARA der führende Anbieter dieser Dienstleistung für Haushalts- und gewerbliche Verpackungsabfälle in Österreich.
Die Kommission vermutet, dass ARA mögliche Wettbewerber am Zugang zur Infrastruktur für die Sammlung von Haushaltsabfällen gehindert hat. Diese Infrastruktur besteht aus Abfalltonnen und -säcken sowie den verbundenen Sammeldienstleistungen, die auf vertraglicher Basis von den Unternehmen, die die Sammlung des Abfalls übernehmen („Sammelunternehmen“), und den Gemeinden im Namen von und für ARA im gesamten Land erbracht werden. Da nach österreichischem Recht ein landesweites Netz von Sammeldiensten vorgeschrieben und die Errichtung von Doppelstrukturen zur Abfallsammlung nicht möglich ist, sind Wettbewerber auf den Zugang zur bestehenden ARA-Infrastruktur angewiesen. ARA könnte potenziellen Wettbewerbern diesen Zugang bisher verweigert haben.
Darüber hinaus könnte ARA auch Wettbewerber vom Markt für die Organisation der Entsorgung gewerblicher Verpackungsabfälle ferngehalten haben. Da die Anforderung einer landesweiten Flächendeckung mit Hilfe einer begrenzten Anzahl regionaler Sammelzentren erfüllt werden kann, haben sich einige Wettbewerber auf diesem Markt etabliert. Allerdings ist die Kommission zu der vorläufigen Auffassung gelangt, dass ARA sein Monopol auf dem Markt für Haushalts-Verpackungsabfälle dazu genutzt hat, um seine Position auf dem Markt für gewerbliche Verpackungsabfälle auszuweiten.
Tatsächlich hat ARA einigen Organisationen und Unternehmen angeboten, die Sammlung von Abfällen vor Ort analog zum Sammelsystem für Haushalte direkt über ARA-Abfalltonnen und ARA-Sammelunternehmen durchzuführen. Allerdings dürfen in die abgestellten ARA-Abfalltonnen nur ARA-lizenzierte Abfälle eingefüllt werden. Den Kunden wiederum ist daran gelegen, nicht für jede Abfallsorte mehrere Tonnen auf dem eigenen Gelände zu haben. Um Komplikationen bei der Abfalltrennung zu vermeiden, haben die betroffenen Organisationen veranlasst, dass ihre Lieferanten sich für ARA als Sammel- und Verwertungssystem entscheiden. Dadurch hat ARA Wettbewerber von diesem Marktsegment ausgeschlossen.
Ein solches Verhalten würde, wenn nachgewiesen, gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen, der die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbietet.
Hintergrund
Die österreichische Regierung hat dem Parlament vor kurzem einen Entwurf über ein neues Abfallwirtschaftsgesetz vorgelegt. Einige Bestimmungen des Gesetzesentwurfs sind darauf ausgelegt, den Markt für die Organisation der Entsorgung von Verpackungsabfällen für den Wettbewerb zu öffnen. Im Prinzip war Wettbewerb auch bisher schon zulässig. Allerdings wurde er möglicherweise durch das Verhalten von ARA verhindert, wie die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte darlegt. Deshalb muss unbedingt gewährleistet werden, dass sich die rechtlich gegebene Möglichkeit eines Marktzutritts letztendlich in tatsächlichem Wettbewerb niederschlägt.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. Mit dieser Mitteilung setzt die Kommission die Parteien schriftlich von den Vorwürfen gegen sie in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, schriftlich antworten und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen können.
Wenn die Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben und die Kommission dennoch zu dem Schluss kommt, dass hinreichende Beweise für eine Zuwiderhandlung vorliegen, kann sie einen Beschluss erlassen, mit dem sie die wettbewerbswidrige Verhaltensweise untersagt und gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen von bis zu 10 % ihres weltweiten Jahresumsatzes verhängt.
Weitere Informationen werden unter der Nummer der Wettbewerbssache 39759 im öffentlich zugänglichen Register auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlicht. Über neue Beschlüsse im Bereich Wettbewerbspolitik informiert der elektronische Informationsdienst Competition weekly news summary.
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