Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen sind genauso wichtig wie Sicherheit am eigenen PKW. Doch die Anforderungen am Bauplatz sind meist noch höher. Im Interview schildert Diplom-Bauingenieur Torsten Tesch, geschäftsführender Gesellschafter der management module GmbH, Erlangen, worauf es bei seiner Tätigkeit ankommt und welche Trends es in seiner Branche zu beobachten gibt.
Herr Tesch, Sie gründeten 2003 Ihr Ingenieurbüro und befassen sich seitdem mit der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination bei Bauprojekten bzw. auf Baustellen. Was machen Sie genau vor Ort?
Torsten Tesch: Während der Bauausführung hat der bestellte SiGe-Koordinator (SiGeKo) insbesondere folgende Aufgaben: Für den Bauherrn meldet er die Baustelle mit der Vorankündigung bei den Behörden schriftlich an. Er informiert alle Beteiligten über Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz und weist sie entsprechend ein. Er stellt sicher, dass alle Bauunternehmen hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz zusammenwirken. Er überwacht, dass die einzelnen Arbeitgeber ihrerseits kontrollieren, dass die vorgegebenen Planungen ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Interessen in Einklang bringen
Worauf kommt es in Ihrem Job besonders an?
Tesch: Einen kompetenten SiGe-Koordinator zeichnet sicher aus, dass er zum einen über fundierte Sachkenntnisse am Bau in theoretischer Hinsicht verfügt, aber auch die notwendige Berufserfahrung und Persönlichkeit mitbringt. Er sollte durchsetzungsstark sein und mit dem notwendigen Feingefühl kritische Situationen meistern können. Am Bau wirken ja die unterschiedlichsten Personen zusammen: Bauunternehmer, Bauherr, Planer, Handwerker, Subunternehmer aus dem Ausland, Behördenvertreter und viele mehr mit zum Teil völlig unterschiedlichen Interessen. Diese müssen alle im Sinne des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes koordiniert werden.
Unerlässlich ist aber auch, dass der freiberufliche SiGeKo ein guter Koordinator in eigener Sache ist. Das heißt er muss nicht nur eine größere Anzahl unterschiedlicher Bauprojekte „unter einen Hut bringen“ sondern er muss auch ein wirtschaftlich tragfähiges Unternehmen führen, mit allem was dazugehört. Und das natürlich selbst und ständig…
Übernehmen Sie Bauprojekte erst ab einer bestimmten Größenordnung oder suchen Sie sich die Projekte nach Anforderungen bzw. geografische Nähe heraus?
Torsten Tesch: Die Bandbreite unsere Projekte reicht vom Neubau eines Einfamilienhauses über kleine Gewerbeimmobilien bis hin zu komplexen Sanierungsmaßnahmen oder dem Bau von Großprojekten mit einer Bauzeit von mehreren Jahren. Dabei arbeiten wir sowohl mit Stammkunden, zum Teil schon über viele Jahre hinweg zusammen, nehmen aber auch gerne Neukunden mit auf, die sich dann oft ebenso zu treuen Kunden entwickeln.
Gemeinsam mit meinen drei freiberuflichen Mitarbeitern betreuen wir ganz Süddeutschland von Altötting bis Völklingen und von Fulda bis zum Bodensee. In der Regel sind unsere Auftraggeber Generalunternehmer oder Bauträger, aber auch Architekten und private Bauherrn.
Koordination und Kontrolle als übergreifende Aufgabe
Sie sind immer wieder mal Dienstleister bei Bauprojekten Ihres ehemaligen Arbeitgebers, der GOLDBECK GmbH. So auch auf dem ehemaligen Gelände des insolventen Bauunternehmens Keller Bau in Vöhringen. Hier wird ein Betonfertigteilwerk in einem auf 5-7 Jahre angelegten Projekt ausgebaut und modernisiert. Was ist Ihre Aufgabe vor Ort?
Tesch: Wir übernehmen hier die umfassenden Leistungen des SiGeKo nach Baustellenverordnung die da wären in der Planungsphase:
Analyse der Vorplanung, Entwurfsplanung und Werkplanung auf Sicherheitsrisiken und Gesundheitsschutzaspekte und Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten. Daneben arbeiten wir einen SiGe-Plan auf der Grundlage der vorgenommenen Analyse aus. Zudem stellen wir Wechselwirkungen zu betrieblichen Tätigkeiten fest. Wir beraten bei der Planung bleibender sicherheitstechnischer Wartungseinrichtungen, legen Meldepflichten an den SiGeKo fest. Wir erstellen die Unterlage, nach Baustellenverordnung, für eine sichere Durchführung von Instandhaltungsarbeiten sowie die Vorankündigung der Baustelle bei den Behörden.
Und das ist sicher noch nicht alles….
Tesch: Ja. Wir kümmern uns um eine fortlaufende Kontrolle der Einhaltung vom Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) durch alle Beteiligten, achten auf die Absicherung der Baustelle gegenüber anderen betrieblichen Tätigkeiten sowie auch gegenüber Dritten. Wir veranlassen geeignete Maßnahmen, um Risiken zu vermeiden und bei Gefahrenzuständen einzuschreiten. Wir organisieren und koordinieren die Zusammenarbeit der Unternehmer im Rahmen von Baustellenbesprechungen und überwachen die ordnungsgemäße Anwendung der Arbeitsverfahren durch die Bauausführenden und deren Koordination. Was ebenso wichtig ist: Wir passen den SiGe-Plan bei erheblichen Änderungen in der Ausführung des Bauvorhabens an.
GOLDBECK ist eines der größten familiengeführten Bauunternehmen in Deutschland. Ist die Zusammenarbeit grundsätzlich leichter mit einem großen Unternehmen?
Sicher ist es angenehmer mit Profis am Bau zusammenzuarbeiten, die sich in der Materie gut auskennen. Viele Abläufe sind standardisiert und man kommt schnell zum Wesentlichen. Davon profitiert auch die Qualität unserer Arbeit. Die Beauftragung bei einem GOLDBECK-Projekt ist für mich persönlich immer besonders reizvoll, da ich, als ehemaliger Mitarbeiter in der Bauleitung dieser Firma, oft auf „alte“ Kollegen treffe, mit denen mich noch viel verbindet.
Wir arbeiten selbstverständlich auch gerne mit kleineren Marktteilnehmern oder dem privaten „Häuslebauer“ zusammen. Hier ist manchmal noch „Basisarbeit“ zu leisten und gemeinhin bekannte Dingen müssen nochmals näher im Einzelgespräch beleuchtet werden.
So bleibt unsere Arbeit doch recht abwechslungsreich und die Routine gewinnt nicht die Oberhand, was gerade im Arbeitsschutz schnell gefährlich werden kann. Man darf nie vergessen: Wir sind für Menschen und deren Sicherheit und Gesundheitsschutz auf der Baustelle mit verantwortlich!
Tendenz: Zeit- & Kostendruck
Sie betreuen Projekte in ganz Süddeutschland. Stellen Sie derzeit einen deutlichen Trend bei Bauvorhaben fest?
Tesch: Ein schon seit vielen Jahren andauernder Trend ist die Beauftragung von Subunternehmern aus dem südosteuropäischen Ausland. Gründe hierfür gibt es sicherlich viele, wie Kostendruck oder auch fehlende einheimische Fachkräfte. In unrühmlichen Ausnahmen vergeben ortsansässige Handwerksfirmen bedenkenlos Unteraufträge an Firmen weiter, welche auf der Baustelle Mitarbeiter beschäftigten, die mit den hiesigen Arbeitsschutzregeln nur rudimentär vertraut sind. Ist dann auch der Aufsichtsführende nur schlecht oder gar nicht der deutschen Sprache mächtig, wird unsere Arbeit schnell zur Quadratur des Kreises.
Ein weiterer Punkt: Die immer kürzeren Projektlaufzeiten können zu Problemen führen, nämlich dann, wenn Handwerker gemäß Bauzeitenplan rechtzeitig vor Ort erscheinen aber die Vorleistungen zur sicheren Durchführung der Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Hier ist dann besonderes Organisationsgeschick gefragt.
Wie steht es um das Bewusstsein der Bauherren um mehr Sicherheit auf Baustellen?
Tesch: Die Sensibilität für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz ist in den letzten Jahren merklich gestiegen. Heute macht man sich zum Beispiel bereits in der Planungsphase nicht nur über die sichere Bauausführung Gedanken, sondern auch wie spätere Wartungsarbeiten an der Immobilie sicher durchgeführt werden können und welche Sicherheitseinrichtungen hierfür notwendig sind.
Auch der Einsatz von technischen Hilfsmitteln und umweltverträglicheren Ersatzstoffen unterstützen die Umsetzung des Arbeitsschutzes auf Baustellen ungemein. Weiter rückläufige Unfallzahlen sprechen für den Erfolg dieser Anstrengungen und ermutigen genau diesen Weg weiterzugehen.