Der Juni 2019 war der wärmste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Und die Bundesanstalt für Gewässerkunde geht davon aus, dass es in Deutschland in Zukunft mehr und längere Niedrigwasserphasen geben wird. Über 7.000 Kilometer Binnenwasserstraßen gehören zum Netz der Bundeswasserstraßen in Deutschland, sind also für moderne Güterschiffe nutzbar. Über die Bundeswasserstraßen werden jährlich bis zu 240 Millionen Tonnen Güter transportiert – meistens Rohstoffe: Erze, Steine, Kohle und Öl. Die für den Güterverkehr mit Abstand bedeutendste Binnenwasserstraße Europas ist der Rhein, auch wenn er mit knapp 700 Kilometern Länge nur der zweitlängste Fluss Deutschlands ist.
50 Prozent aller bundesweiten Benzin- und Diesellieferungen werden allein über den Rhein abgewickelt. Als im vergangenen Jahr aufgrund der Dürre die Pegelstände in den Flüssen und Kanälen fielen, konnten die Binnenschiffe nur noch mit geringerer Ladekapazität fahren. Unternehmen wie Thyssen-Krupp, BASF, Covestro und auch einige Mineralölkonzerne mussten ihre Produktion drosseln, weil der Rohstoffnachschub über die Binnenwasserwege nicht mehr funktionierte. Die Preise für Benzin und Diesel stiegen.
Sinkende Pegel
Die großen Chemiekonzerne am Rhein haben sich dieses Jahr deshalb auf sinkende Pegel vorbereitet. „In der Logistik am Rhein stellen wir uns auch in diesem Jahr auf ein mögliches Niedrigwasser-Szenario ein“, erklärt Markus Steilemann, Chef des Dax-Unternehmens Covestro. „Dabei lassen wir die Erfahrungen von 2018 einfließen.“ Die einstige Bayer-Tochter stellt Kunststoffe her, die beispielsweise in Matratzen, Isolierungen oder Tennisschlägern stecken. Große Fabriken hierzulande sind die früheren Bayerwerke in Leverkusen, Dormagen und Krefeld am Niederrhein. „Schiffe sind ein wichtiges Transportmittel für unsere Produkte mit großen Volumina“, fügt Steilemann hinzu. Deshalb könne Covestro den Wasserweg nicht komplett kompensieren. „Aber wir können Rohstoffe und Fertigprodukte für eine bestimmte Zeit einlagern und damit Effekte abpuffern.“ Der Konzern plane seine Logistik nun intensiv, mit allen möglichen Transportmitteln: also auch Pipelines, Eisenbahnkesselwagen und Schwerlast-Lkw. Konkurrent BASF aus Ludwigshafen hat nach eigenen Angaben vorsorglich Transportkapazitäten für Schiffe gebucht, die auch bei flachem Wasser fahren können.
Spätestens seit Vorlage des Masterplans Binnenschifffahrt im Mai dieses Jahres liegen Ansatzpunkte und Handlungsempfehlungen für eine bessere Verankerung der Binnenschifffahrt in der Logistik vor. Dazu gehört beispielsweise die Erhöhung der Abladetiefe auf dem Nieder- und Mittelrhein. Anfang Juli hat Verkehrsminister Scheuer einen Acht-Punkte-Plan vorgelegt. Er zeigt, wie Niedrigwasserfolgen besser entgegengewirkt werden kann. Zwar hat er vor allem die Situation auf dem Rhein im Blick, weil dort im vergangenen Jahr die Versorgungsengpässe am stärksten zu spüren waren. Aber es gibt auch Logistikketten auf anderen Wasserstraßen, die bei Kleinwasser unterbrochen werden, wie etwa für Schwergut, das in Dresden verladen und auf der Elbe zum Seehafen Hamburg gebracht wird. Dass es technische Lösungen gibt, um Binnenschiffe niedrigwassertauglich zu machen, beweist Logistikdienstleister Contargo. Mit einer Investition von 10.000 Euro pro Schiff wurde durch Modifikationen am Rumpf die Tragfähigkeit bei niedrigen Wasserständen im Rhein erhöht. Die Schiffe sollen ohne Wasser in den rückwärtigen Ballasttanks 10 bis 15 Zentimeter mehr Tiefgang fahren und so bei Niedrigwasser 200 bis 300 Tonnen mehr Ladung transportieren können.
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